Versunkene Inseln
über den höhergelegenen Ebenen glänzte. Ich wurde mit sorgfältig konstruierten Perspektiven an unerwarteten Stellen konfrontiert: Auf dem Weg zu den Galerien ging ich um eine Ecke und sah mich plötzlich einer weiten Wiese zu meiner Linken gegenüber, die so echt wirkte, daß ich in die Projektion hineinschritt, um mich davon zu überzeugen, es nur mit einem Hologramm zu tun zu haben. „Wie zu Hause“, meinte meine auf dem Mond geborene Hauswirtin, obwohl die Erde nie ihre Heimat gewesen war. Als ich eines Nachts unter den Kunst Sternen dahin wanderte, entdeckte ich eine Anomalie in der dichtbevölkerten Stadt: eine etwa einen Morgen umfassende Unterkunftsfläche, die völlig unbewohnt war, beleuchtet von trüben und matten Glühpunkten in den Wänden. Die Mauern bestanden aus abgebautem Mondgestein – unverputzt, nackt, rauh. Kein Anstrich, keine Tünche, nur schlichter, öder Stein. Doch die leeren Wohnungen waren vollständig ausgestattet mit Ergmöbeln und -wänden, kompletter Küchengerätschaft, selbstprogrammierenden Holoskulpturen, mit allem. Am folgenden Tag sprach ich meine alleswissende Wirtin darauf an, und sie war überrascht über meine Überraschung. „Nicht wie zu Hause“, sagte sie. „Ungemütlich.“ Doch sie erzählte mir von einem überaus populären Komplex in Gagarin, der genauso aussah wie der der leeren Wohnungen hier in Luna, auch wenn Gagarins Steinhäuser durch und durch aus Plaststahl und Plastbeton konstruiert waren. Ich erinnerte mich an Greg Hartfelds Äußerung in der Fähre über die Abneigung der Touristen dem Mond selbst gegenüber, und ich dehnte diese Bemerkung auch auf die Menschen aus, die auf dem Mond geboren waren oder hier lebten. Ich verbrachte viel Zeit in den Aussichtskammern, blickte wie verzaubert auf die öde Kälte der Mondoberfläche hinaus und war dabei so gut wie immer allein. Die Unsterblichen interessierten sich nicht für den Anblick der staubigen und trostlosen Leere außerhalb ihres geschützten und isolierten Gewölbes. Mir kam mehr und mehr zu Bewußtsein, daß es keinen wesentlichen Unterschied gab zwischen der Erde, der ich entflohen war, und der Stadt auf dem Mond, in der ich mich niedergelassen hatte. Vielleicht den Unterschied zwischen einem Garten und einer genauen Miniaturkopie dieses Gartens. Die Bewohner der beiden Gärten waren identisch – bequeme Stasis, Furcht vor dem Neuen oder Fremden und eine Betrachtungsweise der Zukunft, die sie als angenehme, ruhige Wiederholung des Heute und Gestern erachteten. Auch meine Hauswirtin machte da keine Ausnahme. Vor zwanzig Jahren war sie Sandjockey auf dem Mars gewesen. Sie erzählte endlose Geschichten von hydroponischen Gärten unter dicken, blassen Kuppeldächern, die vom Licht einer ebenfalls blassen Sonne eingehüllt waren, von Versorgungsfahrten mit Ober flächenleichtern über die trockenen, roten Dünen, dem ausgelassenen Leben in den Wirtshäusern und Bordellen von Jurigrad – in Wirtshäusern und Bordellen, die natürlich sorgfältig so konstruiert waren, damit sie wie die auf der Erde aussahen. Als ich sie darum bat, mir etwas über den Mars selbst zu erzählen, über die Wüsten und Dünen, darüber, wie die Verbindungswege beschaffen waren und die Sterne aussahen, zuckte sie nur mit den Achseln, antwortete, darauf hätte sie nie geachtet, und wechselte das Thema. Sie gab mir zu verstehen, Luna begänne sie ebenfalls zu langweilen, und ließ sich über eine endlose Zahl von möglichen zukünftigen Betätigungsbereichen aus: Medizin vielleicht oder Recht oder eine Kunstart. Sie habe so gut wie keine Kenntnisse auf diesen
Weitere Kostenlose Bücher