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Versunkene Inseln

Versunkene Inseln

Titel: Versunkene Inseln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marta Randall
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über den hö­her­ge­le­ge­nen Ebe­nen glänz­te. Ich wur­de mit sorg­fäl­tig kon­stru­ier­ten Per­spek­ti­ven an un­er­war­te­ten Stel­len kon­fron­tiert: Auf dem Weg zu den Ga­le­ri­en ging ich um ei­ne Ecke und sah mich plötz­lich ei­ner wei­ten Wie­se zu mei­ner Lin­ken ge­gen­über, die so echt wirk­te, daß ich in die Pro­jek­ti­on hin­ein­schritt, um mich da­von zu über­zeu­gen, es nur mit ei­nem Ho­lo­gramm zu tun zu ha­ben. „Wie zu Hau­se“, mein­te mei­ne auf dem Mond ge­bo­re­ne Haus­wir­tin, ob­wohl die Er­de nie ih­re Hei­mat ge­we­sen war. Als ich ei­nes Nachts un­ter den Kunst Ster­nen da­hin wan­der­te, ent­deck­te ich ei­ne An­oma­lie in der dicht­be­völ­ker­ten Stadt: ei­ne et­wa einen Mor­gen um­fas­sen­de Un­ter­kunfts­flä­che, die völ­lig un­be­wohnt war, be­leuch­tet von trü­ben und mat­ten Glüh­punk­ten in den Wän­den. Die Mau­ern be­stan­den aus ab­ge­bau­tem Mond­ge­stein – un­ver­putzt, nackt, rauh. Kein An­strich, kei­ne Tün­che, nur schlich­ter, öder Stein. Doch die lee­ren Woh­nun­gen wa­ren voll­stän­dig aus­ge­stat­tet mit Erg­mö­beln und -wän­den, kom­plet­ter Kü­chen­ge­rät­schaft, selbst­pro­gram­mie­ren­den Ho­los­kulp­tu­ren, mit al­lem. Am fol­gen­den Tag sprach ich mei­ne al­les­wis­sen­de Wir­tin dar­auf an, und sie war über­rascht über mei­ne Über­ra­schung. „Nicht wie zu Hau­se“, sag­te sie. „Un­ge­müt­lich.“ Doch sie er­zähl­te mir von ei­nem über­aus po­pu­lä­ren Kom­plex in Ga­ga­rin, der ge­nau­so aus­sah wie der der lee­ren Woh­nun­gen hier in Lu­na, auch wenn Ga­ga­rins Stein­häu­ser durch und durch aus Plast­stahl und Plast­be­ton kon­stru­iert wa­ren. Ich er­in­ner­te mich an Greg Hart­felds Äu­ße­rung in der Fäh­re über die Ab­nei­gung der Tou­ris­ten dem Mond selbst ge­gen­über, und ich dehn­te die­se Be­mer­kung auch auf die Men­schen aus, die auf dem Mond ge­bo­ren wa­ren oder hier leb­ten. Ich ver­brach­te viel Zeit in den Aus­sichts­kam­mern, blick­te wie ver­zau­bert auf die öde Käl­te der Mond­ober­flä­che hin­aus und war da­bei so gut wie im­mer al­lein. Die Un­s­terb­li­chen in­ter­es­sier­ten sich nicht für den An­blick der stau­bi­gen und trost­lo­sen Lee­re au­ßer­halb ih­res ge­schütz­ten und iso­lier­ten Ge­wöl­bes. Mir kam mehr und mehr zu Be­wußt­sein, daß es kei­nen we­sent­li­chen Un­ter­schied gab zwi­schen der Er­de, der ich ent­flo­hen war, und der Stadt auf dem Mond, in der ich mich nie­der­ge­las­sen hat­te. Viel­leicht den Un­ter­schied zwi­schen ei­nem Gar­ten und ei­ner ge­nau­en Mi­nia­tur­ko­pie die­ses Gar­tens. Die Be­woh­ner der bei­den Gär­ten wa­ren iden­tisch – be­que­me Sta­sis, Furcht vor dem Neu­en oder Frem­den und ei­ne Be­trach­tungs­wei­se der Zu­kunft, die sie als an­ge­neh­me, ru­hi­ge Wie­der­ho­lung des Heu­te und Ges­tern er­ach­te­ten. Auch mei­ne Haus­wir­tin mach­te da kei­ne Aus­nah­me. Vor zwan­zig Jah­ren war sie Sand­jockey auf dem Mars ge­we­sen. Sie er­zähl­te end­lo­se Ge­schich­ten von hy­dro­po­ni­schen Gär­ten un­ter di­cken, blas­sen Kup­pel­dä­chern, die vom Licht ei­ner eben­falls blas­sen Son­ne ein­gehüllt wa­ren, von Ver­sor­gungs­fahr­ten mit Ober flä­chen­leich­tern über die tro­ckenen, ro­ten Dü­nen, dem aus­ge­las­se­nen Le­ben in den Wirts­häu­sern und Bor­del­len von Ju­ri­grad – in Wirts­häu­sern und Bor­del­len, die na­tür­lich sorg­fäl­tig so kon­stru­iert wa­ren, da­mit sie wie die auf der Er­de aus­sa­hen. Als ich sie dar­um bat, mir et­was über den Mars selbst zu er­zäh­len, über die Wüs­ten und Dü­nen, dar­über, wie die Ver­bin­dungs­we­ge be­schaf­fen wa­ren und die Ster­ne aus­sa­hen, zuck­te sie nur mit den Ach­seln, ant­wor­te­te, dar­auf hät­te sie nie ge­ach­tet, und wech­sel­te das The­ma. Sie gab mir zu ver­ste­hen, Lu­na be­gän­ne sie eben­falls zu lang­wei­len, und ließ sich über ei­ne end­lo­se Zahl von mög­li­chen zu­künf­ti­gen Be­tä­ti­gungs­be­rei­chen aus: Me­di­zin viel­leicht oder Recht oder ei­ne Kunst­art. Sie ha­be so gut wie kei­ne Kennt­nis­se auf die­sen

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