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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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dass es das Wasser mit der Zunge auflecken würde wie ein Hund, aber es trank wie ein Mensch. Als es fertig war, sah es mit einem herablassenden Lächeln zu ihr herüber. » Meine Spezies verträgt unreines Wasser besser als deine « , sagte es. » Wir sind euch in jeder Hinsicht überlegen. «
    Der Halbmensch wollte sich erheben, sackte jedoch plötzlich auf die Knie. Sein Auge weitete sich vor Überraschung. Mit einem Knurren richtete er sich mühsam wieder auf.
    Etwas an diesem kurzen Moment der Verwundbarkeit erleichterte Mahlia. Der Halbmensch war nicht unbesiegbar. Er war zwar unglaublich stark, aber er hatte auch seine Schwächen.
    Das Ungeheuer humpelte am Ufer des Tümpels entlang.
    Â» Was zum… « , begann Mouse, aber Mahlia ahnte bereits, was der Halbmensch vorhatte. Der Kadaver des Alligators rottete immer noch im Wasser vor sich hin. Der Halbmensch watete durch das Schilfgras darauf zu und packte ihn. Keuchend zerrte er ihn ans Ufer.
    Mit einem leisen Knurren riss der Halbmensch dem Alligator den Bauch auf. Er vergrub sein Maul in den Eingeweiden des Reptils und begann zu fressen, ohne sich an dem Aasgeruch zu stören.
    Der Halbmensch blickte hoch und sah mit gefletschten Zähnen zu ihnen herüber. » Den habe ich getötet « , knurrte er, versenkte einen Arm im Leib des Alligators und riss dem toten Tier das Herz heraus. » Er gehört mir. « Er biss in das rote Muskelfleisch und schluckte es hinunter.
    Â» Verdammt, ist das eklig « , sagte Mouse.
    Mahlia spürte ebenfalls, wie sich ihr der Magen umdrehte. Ein Geschöpf, das beinahe menschlich war, aber wie ein Tier fraß– es war einfach nicht natürlich. Mahlia spürte erneut Furcht in sich aufsteigen.
    Was war das für ein Geschöpf, das sie unbedingt hatte retten wollen?
    Der Halbmensch fraß laut schmatzend weiter. Aber die Art, wie er siegreich über seinem Opfer kauerte und sich das Herz seines Gegners einverleibte, erinnerte auch an…
    Â» Ein Ritual « , murmelte der Arzt.
    Das Ungeheuer blickte auf, Eingeweide tropften von seinem Maul. Sein gelbes Auge richtete sich auf den Arzt. » Wir leben von unseren Siegen. Vom lebendigen Blut aus dem Herzen unserer Gegner. Unsere Feinde machen uns stärker. Je mehr Feinde wir haben, desto mehr können wir fressen. Und desto stärker werden wir. «
    Â» Und ihr hört nie auf zu kämpfen « , flüsterte Mahlia.
    Das Ungeheuer lächelte und entblößte seine messerscharfen Zähne. » Der Krieg nährt uns, Mädchen. « Es verschlang den Rest des Alligatorherzens. » Unsere Feinde sind unser Leben. «
    Der Halbmensch wollte weitersprechen, doch er hielt inne und spitzte die Ohren. Dann sog er mit geweiteten Nüstern die Luft ein. Schließlich legte er die Ohren an.
    Â» Mein Name ist Tool « , sagte er. » Offenbar haben eure Feinde auch etwas gefunden, das ihnen Kraft gibt. «

1 8
    Â» Welche Feinde? « , fragte Mahlia.
    Â» Ich rieche eine Menge Rauch. Holz und Plastik. « Tools Nüstern weiteten sich erneut. » Und Fleisch. Da stirbt eine Stadt. «
    Â» Die Soldaten brennen Banyan Town nieder? « , wollte der Arzt wissen.
    Tool schwieg, seine Ohren zuckten und lauschten Geräuschen, die Mahlia nicht wahrnehmen konnte. » Menschen fliehen… «
    Schüsse hallten über den Dschungel hinweg. Die konnte selbst Mahlia hören, trotz der Entfernung. Raben und Elstern stiegen erschrocken in die Luft auf. Schwärme von Spatzen flogen zwitschernd am Himmel vorbei. Noch mehr Schüsse waren zu hören. Mahlia tauschte beunruhigte Blicke mit Mouse und dem Arzt.
    Der Halbmensch lauschte immer noch und sog prüfend die Luft ein. » Unser gemeinsamer Feind scheint seine Fehlschläge sattzuhaben. «
    Â» Deshalb brennen sie jetzt die Stadt nieder? «
    Der Arzt ergriff seine Instrumente und warf sie in seine Krankenhaustasche. » Wir müssen den Leuten helfen. Schnell! Sie werden uns brauchen. «
    Während Mahlia ihre letzten Medikamentenvorräte sammelte und sie dem Arzt reichte, bemerkte sie, wie ihre Hand zitterte. Sie erinnerte sich an andere Dörfer, die von Soldaten niedergebrannt worden waren. An die verkohlten Häuser, in denen sich nur noch abgemagerte Hunde und Kojwölfe herumtrieben.
    Â» Doc? « , fragte sie. » Sollten wir nicht besser fliehen? «
    Tool lachte grollend. » Das Mädchen ist klug. Lieber

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