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Versunkene Staedte

Versunkene Staedte

Titel: Versunkene Staedte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Bacigalupi
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war so dumm in ihrer Trauer.
    Lass das Mädchen trauern, ermahnte er sich. Die Soldaten sind weg.
    Trotzdem ärgerte es ihn. Sie hatte keine Disziplin. Wenn sie zusammen nach Norden gehen würden, könnte sie ihn in Gefahr bringen.
    Dann lass sie eben hier.
    Aber das tat er nicht, und er fragte sich insgeheim, wieso. Sie hätten längst von hier verschwunden sein sollen. Er spürte immer mehr Augen zurückkehren. Bei Einbruch der Nacht wollte er das Dorf verlassen haben. Doch Mahlia suchte immer noch nach Mouse und rief seinen Namen. Sie drehte verkohlte Leichen um und durchsuchte ausgebrannte Gebäude. Und Tool blieb bei ihr.
    Schließlich kam Mahlia zu Tool zurückgestolpert, der gerade den Arzt in das Grab legte.
    Â» Vielleicht haben sie Mouse begraben « , sagte sie.
    Tool schüttelte den Kopf. » Nein. Mit solchen Nettigkeiten geben die sich nicht ab. «
    Einen Moment lang sah es so aus, als würde das Mädchen in Tränen ausbrechen, aber dann beherrschte sie sich und half ihm, das Grab zuzuschütten. Tool holte ein paar große Betonbrocken und türmte sie über dem Grab auf. Er bewegte sich langsam und probierte aus, welche Lasten er schon wieder tragen konnte.
    Â» Wird das die Kojwölfe fernhalten? « , fragte Mahlia, als sie den Haufen aus Betonbrocken und Steinen betrachtete.
    Â» Das ist mehr, als meinesgleichen je bekommen hat « , sagte Tool scharf. Er musste beinahe lächeln, als sie zusammenzuckte.
    Die Menschen machten immer so viel Gewese um ihre Toten. Als sein Rudel auf fernen Schlachtfeldern gestorben war, hatte sich niemand die Mühe gemacht, die Leichen einzusammeln und zu beerdigen. Wenn man Glück hatte, war man bei ihnen, wenn sie starben. Dann konnte man sich ihre Geschichten anhören, um sie nach der Schlacht weiterzuerzählen. Aber wenn sie dann tot waren, hielt man sich nicht mehr lange bei ihnen auf. Menschen taten das. Es machte sie verletzlich.
    Das Mädchen stand da und betrachtete den Steinhaufen. Ihr Gesicht war mit Blut, Schlamm und Asche beschmiert. Nur ein weiteres zerbrochenes Wesen, das der Krieg hinterlassen hatte. So wie all die anderen Kinder in all den anderen Kriegen, in denen Tool gekämpft hatte.
    Wäre sie zu einer anderen Zeit an einem anderen Ort geboren worden, hätte sie wahrscheinlich nichts als Jungs, Partys und Klamotten im Kopf. Wenn sie zum Beispiel in einer Arkologie in Boston oder in einem der riesigen Wolkenkratzer in Peking groß geworden wäre. Stattdessen hatte sie nur noch eine Hand, war von Narben entstellt, und ihre Augen waren hart wie Obsidian. Sie lächelte nur verhalten, als rechne sie ständig mit dem nächsten schweren Schicksalsschlag.
    Ein Stück weit entfernt schnüffelte ein Hund in der Asche. Er fand eine tote Ziege und begann, mit den Zähnen daran zu zerren, bis es ihm gelungen war, ihr die Eingeweide herauszureißen. Ein weiterer Mischling kam mit gefletschten Zähnen herbeigelaufen. Er knurrte, und der erste lief mit den erbeuteten Eingeweiden davon.
    Das Mädchen sah zu.
    Â» Das war Regs Hund « , sagte sie.
    Â» Und seine Ziege « , fügte sie hinzu.
    Tool fragte sich, ob das Mädchen den Verstand verloren hatte. Das passierte manchmal mit Menschen. Sie sahen zu viele schlimme Dinge und begannen, wirres Zeug zu reden. Sie verloren den Willen zu überleben. Rollten sich zusammen und ergaben sich dem Wahnsinn.
    Für das Mädchen konnte Tool nichts tun, aber er würde den wilden Hunden nicht das gute Fleisch überlassen. Er ließ das Mädchen an dem Grab stehen und ging zu der Ziege hinüber.
    Der Hund senkte den Kopf und fletschte die Zähne. Er knurrte, als Tool näher kam.
    Tool ließ sein eigenes Gebiss sehen.
    Du willst dich also mit mir anlegen, Bruder?
    Er knurrte, und der Hund floh mit eingezogenem Schwanz. Tool musste über den armseligen Mischling beinahe lachen. Zufrieden hob er die Ziege hoch. Er wurde langsam wieder gesund, und die Ziege würde eine anständige Mahlzeit abgeben. Bald würde er wieder ganz der Alte sein.
    Die versunkenen Städte waren ein Fehler gewesen, vergeblich die Hoffnung, dass er in all dem Chaos dort einen Platz für sich finden würde.
    Aber jetzt war er auf dem Weg der Besserung, und bald würde er endgültig von hier verschwunden sein.
    Mahlia sah zu, wie Tool dem Hund seine Beute abjagte. Das Knurren des Halbmenschen hallte zwischen den Ruinen wider wie

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