Vertragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker?: Tragikomisches von unserem Körper und denen, die ihn behandeln (German Edition)
als dass eine nennenswerte Verfärbung stattfinden könnte. Bei Stichproben wurden bis zu 200 Liter im Wasser gemessen, das sind immerhin 20 Eimer voll. Klingt erst mal viel, ist aber im Verhältnis wenig. Ein typisches Freibadbecken fasst 1 , 8 Millionen Liter. Wäre das Freibad ein Glas Gin Tonic und der Urin der Alkohol, dann hätte der Drink weniger Umdrehungen als viele angeblich alkoholfreie Biere. Anders sähe das Verhältnis vermutlich bei Olympia-Schwimmbecken aus: Für Leistungsschwimmer scheint das Pieseln ins Wasser ganz normal zu sein, wie Olympioniken Michael Phelps und Ryan Lochte freimütig verrieten.
Ach, übrigens: Die Geschichte von urin-sensitiven Farbmarkern, die angeblich in japanischen Schwimmbädern eingesetzt werden, ist ein, wenn auch hartnäckig wiederholter, Mythos. Chemisch möglich wären solche Marker sicherlich, aber wahrscheinlich der programmierte Bankrott für die Schwimmbadbetreiber. Oder was glauben Sie, warum es im Kinderbecken immer so schön warm ist?
Bevor Sie nun angeekelt weiterblättern, nur noch dieser Hinweis: Sie werden sich nicht mehr dran erinnern, aber wir sind alle mal in unserem eigenen Urin geschwommen. Monatelang. Vor unserer Geburt, im mütterlichen Swimmingpool. Hat es Ihnen geschadet?
Was ist drin im Schwimmbadwasser?
Das Wasser in öffentlichen Badeanstalten wird vom Gesundheitsamt genauso streng kontrolliert wie das heimische Trinkwasser. Um die Ausbreitung von Bakterien und Pilzen zu verhindern, wird Schwimmbadwasser mit Chlor versetzt. Im Wasser bildet es eine Säure, die bleicht und desinfiziert. Diese reagiert mit dem Harnstoff aus dem Urin zu Chloraminen, Verbindungen, die Augen und Atemwege reizen. Der typische Hallenbadgeruch, den wir für Chlorgeruch halten, wird eigentlich erst durch diese Chloramine hervorgerufen. Aber nicht nur Urin trägt zu ihrer Bildung bei, sondern alle Aminosäuren, die wir ins Wasser abgeben: Hautschuppen, Schweiß, Make-up und Sonnenmilch. Auch mit dem Kohlenstoff aus unseren Ausscheidungen reagiert Chlor. Es bildet sich Trichlormethan – besser bekannt als Chloroform. Dieses giftige und wahrscheinlich auch krebserregende Gas wurde im 19. Jahrhundert als Narkosemittel verwendet. Die Trihalogenmethane gehen ins Blut über, in Hallenbädern ist die Belastung höher als in Freibädern. Die Behörden wachen über die Einhaltung der Grenzwerte bei der Chlorierung.
Erreger von Aids, Hepatitis und Tripper haben im Schwimmbadwasser keine Überlebenschance. Die Ansteckungsgefahr ist daher gleich null. In Dusche und Umkleide lauern jedoch Warzenviren und Fußpilzsporen. Die dicke Hornschicht der Fußsohle ist nach dem Bad aufgequollen und büßt ihre Schutzfunktion ein, Pilzsporen können eindringen.
FREDERIK JÖTTEN
Lasst mich und meine Noroviren allein!
Menschen, die von Noroviren infiziert wurden, sollte man nicht pflegen. Die Ansteckungsgefahr für Helfer ist zu groß – und es ist zu unangenehm für die Gepeinigten.
Es fängt an mit einem Rumoren im Magen – und dann kann man nur noch hoffen, rechtzeitig zur Toilette zu kommen. Jeden Herbst und Winter gehen die Noroviren um, und wenn es einen erwischt hat, sollte man es sich vor dem Klo bequem machen. Es lohnt für die nächsten Stunden nicht, auch nur an einen anderen Aufenthaltsort zu denken. Denn entweder, es läuft einem gerade die Spucke im Mund zusammen, weil sich das nächste Erbrechen ankündigt, oder man muss sich seines Durchfalls entledigen.
Nichts und niemand kann helfen, ja, niemand
sollte
helfen, sofern der Erkrankte sonst fit und gesund ist. Denn schon feine Partikel in der Luft können zur Infektion führen. Und außerdem: Wer will schon von Freunden oder dem Partner in der jämmerlichsten aller Lagen beobachtet werden? Wer will schon, dass jemand den Sound des eigenen Brechdurchfalls mit anhört? Also bitte, wenn es mich erwischen sollte: Schiebt mir Elektrolytlösung zum Trinken durch den Spalt der Badezimmertür, verschwindet und lasst mich dann in Ruhe auf dem Klo dahindämmern, bis alles vorbei ist.
Einen Freund hat das Norovirus am 31 . Dezember erwischt, er saß also Silvester ganz und den Neujahrstag halb auf der Toilette. Als ich davon hörte, war bei mir alles wieder präsent: die schlimmste Nacht meines Lebens. Vor zehn Jahren reiste ich mit meiner damaligen Freundin durch Ecuador. Mit einem Bus wollten wir die Nacht hindurch aus der Hauptstadt Quito in den Osten des Landes fahren – eine Regenwald-Exkursion. Als wir gerade dabei waren,
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