Vertrau mir! - Thriller
kleinen Ortschaft in Osttexas namens Braintree. Die Koordinaten passen auf eine Miethütte. Dort stand der Wagen knapp zwanzig Minuten, dann ging’s zum Flughafen Dallas, dort kam er um 6:07 Uhr morgens an.«
Eine abgelegene Ortschaft namens Braintree. Warum fuhr ein Entführer zu einer Miethütte mitten im Wald?
Vielleicht um Luke dort gefangenzuhalten. Oder um ihn zu töten und irgendwo zwischen den Bäumen zu vergraben. Der Gedanke ließ Henrys Kehle trocken werden.
Die Adressen in Houston waren ein Parkplatz und eine Bank.
Er bedankte sich bei dem Hacker. Zehn Minuten später, kurz nachdem er mit Mouser telefoniert und ihm die Information von der Hütte in Braintree gegeben hatte, klingelte es an der Haustür.
Henry öffnete die Tür - und sah eine Reporterin und eine Fernsehkamera vor sich. Die junge Frau hielt ihm ihr Mikrofon unter die Nase, und Henry erstarrte.
»Mr. Shawcross, wir hätten gern eine Stellungnahme von Ihnen …«
9
Alle waren tot. Luke wusste es, sobald er die Augen aufmachte. Er stand ganz hinten in dem Privatjet und ging durch die kleine Kabine nach vorne. Das Heulen der Triebwerke, die die Maschine nach nirgendwo brachten, war das einzige Geräusch, das er hörte. Die Freunde seines Vaters lagen zusammengesunken in ihren Sitzen, die Gesichter blau angelaufen, die Münder offen. Einer hatte die Finger im Kragen, so als hätte ihn der Stoff wie eine Schlinge gewürgt. Auch Luke selbst atmete nicht mehr. Er sah, dass die Fenster des Jets von innen vereist waren. Wenn er niederkniete, konnte er durch das Glas hinaussehen, auf die endlose Fläche des Atlantiks unter ihnen, und weit und breit kein Land in Sicht.
Die Medaille, die sein Vater ihm gegeben hatte, der Engel mit dem Flammenschwert, brannte mit kalter Wut an seiner Brust.
Ein Geisterflugzeug, alle tot, ein Flug ins Nirgendwo. Er ging von dem vereisten Fenster weg, von dem man auf den leeren Ozean hinausblickte. Die Tür zum Cockpit war geschlossen. Zwischen ihm und der Tür stand ein Mann in der Arbeitskleidung eines Mechanikers. Ace Beere. Er war klein, hatte ein rotes Gesicht und sah ziemlich jämmerlich aus. »Du hast sie alle umgebracht. Du hast die Maschine sabotiert. Du hast mir meinen Dad genommen. Ohne irgendeinen Grund.«
»Es gibt genug Gründe«, erwiderte Ace Beere. Er tippte
sich an die Schläfe, die von einem Einschussloch gezeichnet war.
Luke schob ihn zur Seite. Sein Vater und die Piloten waren im Cockpit, sie waren bestimmt okay, nicht tot wie die anderen hier …
Er öffnete die Tür. »Dad?«, rief er.
Das Cockpit war leer, da war überhaupt nichts mehr, das Meer rauschte wie eine Wand auf ihn zu.
Luke schreckte aus dem Schlaf hoch. Er dachte einen Moment lang, er wäre in dem Geisterflugzeug und würde mit den erstickten Toten über das Meer fliegen, bis der Treibstoff verbraucht war. Aber es handelte sich nur um einen Traum − und er steckte in Wirklichkeit in einer noch viel schlimmeren Situation. Als er die Arme hob und das Klimpern der Ketten hörte, erinnerte er sich, dass er an das Bett in der Hütte gekettet war.
In einer Todesfalle, genau wie sein Vater, weit weg von den Menschen, die er mochte, ohne Aussicht auf Rettung. Nur hatte sein Vater wirklich keine Chance gehabt. Luke musste sein Schicksal selbst in die Hand nehmen.
Henry, dieser Scheißkerl, hat mich einfach im Stich gelassen. Der Gedanke schnitt ihm wie ein Messer ins Hirn.
Luke hatte eine halbe Ewigkeit geschlafen. Die Erschöpfung nach der langen Anspannung wog schwerer als die Angst. Er erwachte schließlich am späten Nachmittag, benommen nach seinem Alptraum, sechsundzwanzig Stunden, nachdem Eric ihn entführt hatte. Sein Magen krampfte sich zusammen vor Hunger, und draußen grollte Donner. Er verspürte ein kindliches Verlangen zu weinen, es schnürte ihm die Brust zu, doch er unterdrückte das Gefühl, bis es verging. Er zog noch einmal an den Ketten, wie um zu prüfen, ob sie sich vielleicht gelöst hatten, während er schlief, und dann
nickte er wieder ein. Als er aufwachte, hörte er das gleichmäßige Rauschen des Regens, ein Hintergrundgeräusch, das es ihm ermöglichte nachzudenken.
Die Handschellen schlossen sich eng um seine Hand- und Fußgelenke. Die Ketten waren lang genug, dass er sich aufsetzen und sogar neben dem Bett stehen konnte.
Er sah sich in dem Raum um. Das Metallbett stand direkt an der Wand und war auf dem Holzboden festgeschraubt. Die Ketten hatte man am Bett befestigt, nicht an der Wand. Unter
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