Vertrau mir! - Thriller
dem Bett stand ein kleiner Plastikbehälter. Er öffnete ihn; es war eine chemische Toilette. Sie war ziemlich voll, aber er fühlte sich trotzdem erleichtert, dass er nicht in die Hose oder ins Bett machen musste. Unter dem Bett sah er außerdem die zerknüllte Verpackung von Erdnussbutter-Kräckern und eine leere Wasserflasche. Vor dem mit einem schweren Vorhang verdeckten Fenster stand ein Tisch, darauf eine Lampe, die ein bleiches Licht auf den Holzboden warf. Ein einfacher Holzsessel. Eine Tür in einer Ecke, die vielleicht zu einem Wandschrank führte. Er kam nicht nah genug heran.
Henrys Verrat hallte ihm immer noch in den Ohren: Ich kann Ihnen nicht helfen. Ich lege jetzt auf.
Henry hätte lügen können, er hätte Eric hinhalten können. Er hatte es nicht getan, obwohl Luke dem Entführer auf Gedeih und Verderb ausgeliefert war. Henry war ein Judas der schlimmsten Sorte, und so sehr sich Luke auch bemühte, einen Grund für das Verhalten seines Stiefvaters zu finden - es fiel ihm keiner ein.
Was würde jetzt passieren?
Die Möglichkeiten waren sehr beschränkt; diese Britin namens Jane konnte hierherkommen. Entweder um ihn zu beseitigen oder um Henry zu einem Sinneswandel zu bewegen.
Vielleicht würde sie beweisen, dass sie nicht zögerte, Gewalt anzuwenden.
Die andere Möglichkeit war, dass ihn niemand finden würde, dass niemand kam und dass er in den nächsten Tagen oder Wochen allmählich austrocknete und verhungerte. Wie lange würde es dauern, bis er starb?
Luke musste irgendeinen Weg finden, hier herauszukommen.
Er sah in seinen Taschen nach. Er hatte immer noch seine Geldbörse und entleerte sie auf dem Bett: Führerschein, einundvierzig Dollar, eine Visa-Karte, die er oft benutzte, eine Mastercard für Notfälle und ein Ausweis der University of Texas für Doktoranden. Und an seiner Brust die kühle Erzengel-Michael-Medaille, die ihn beschützen sollte, wie sein Vater ihm versprochen hatte. In seiner Situation fiel es ihm schwer, daran zu glauben.
Nichts, womit man sich aus solchen Ketten befreien konnte.
Er stand vom Bett auf und zog kräftig am Metallrahmen. Das Bett rührte sich nicht von der Stelle. Er begutachtete die vier Beine des Bettes. Sie waren am Fußboden festgeschraubt, doch ein Bein war ein klein wenig locker. Nicht sehr, aber doch. Er bemerkte Spuren von Schuhabsätzen an der Wand.
Aubrey hatte nicht bloß darauf gewartet, dass ihr Ritter kommen und sie befreien würde. Sie hatte versucht, das Bett mit den Füßen aus der Verankerung zu lösen.
Luke inspizierte die leicht gelockerte Schraube. Aubrey hatte es geschafft, sie ein winziges Stückchen aus dem Fußboden zu bewegen. Nicht viel. Er steckte die Ecke der Kreditkarte in die Kreuzschraube, um sie zu drehen. Vorsichtig, damit das Plastik nicht brach. Er spürte einen Eifer in sich
hochkommen, der nicht weit von Panik entfernt war, und bezähmte den Drang, sich zu beeilen.
Die Schraube rührte sich nicht. Das Plastik war nicht steif genug. Er versuchte es mit dem Führerschein. Zwecklos.
Er brauchte etwas Stärkeres. Er musste sich mit anderen Augen im Raum umsehen und alles als mögliches Werkzeug betrachten, doch da war nichts. Panik stieg in ihm hoch, doch da bemerkte er die Lampe. Jede Menge Teile: Glühbirne, Basis, Kabel, Stecker. Sie stand etwa zwei Meter entfernt, und er konnte sehen, wo das Kabel in der Steckdose endete. Luke erhob sich und trat zwei Schritte vom Bett weg. Näher kam er nicht heran; also musste er dafür sorgen, dass die Lampe zu ihm kam.
Er hatte eine Idee.
Luke riss die Decken und Laken vom Bett. Er knüpfte sie zu einem Seil zusammen, mit der Sorgfalt eines Pfadfinders, der ein Abzeichen erlangen wollte. Er überprüfte die Knoten, dann legte er sich mit dem dicken, unhandlichen Strick auf den Holzboden und streckte sich, um so weit wie möglich vom Bett wegzukommen.
Er warf den selbst gemachten Strick zum Tisch hinüber. Er wollte damit ein Bein einfangen, während er das andere Ende in der Hand behielt. Der erste Versuch misslang. Er probierte es noch einmal mit etwas mehr Schwung - wieder nichts. Er erkannte, dass der schwerere Teil des Seiles, die Decke, das Tischbein erreichen musste; das Laken war zu leicht. Er nahm sein Seil am anderen Ende und warf es erneut aus. Daneben. Seine Arme schmerzten. Nächster Versuch. Auch daneben. Seine Arme waren schon fast gefühllos. Noch einmal. Das Seil erreichte das rechte vordere Tischbein und schlang sich ein Stück weit um das Bein. Doch
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