Vertrau mir! - Thriller
unterhielten sich flüsternd über einem Bücherwagen und sortierten Bände. Eine lachte leise. Die Bibliothekarin stand auf und verschwand in einem Büro. Die beiden Frauen gingen in den hinteren Bereich der Bibliothek - Luke nahm den Geruch von Kaffee und Haselnuss wahr.
Auf dem Arbeitstisch der Bibliothekarin sah er eine Handtasche stehen. Er guckte hinein und fand ein Handy. Er nahm es rasch heraus und eilte hinter eines der Regale. Niemand hatte es bemerkt.
Er rief die Nummer von ChicagoChris an.
»Hallo?«, meldete sich die raue Stimme eines jungen, müde klingenden Rauchers.
»Ich hoffe, ich spreche mit ChicagoChris. Hier ist Lookout. Von dem TearTheWallsDown-Forum.«
»Hey, Mann! Hey, wie geht’s?« Chris schien sich zu freuen, von ihm zu hören, aber es war die übertriebene Begeisterung
eines Menschen, der viel zu viel Zeit allein verbrachte und dem es nicht gut dabei ging.
»Ich hoffe, es ist okay, dass ich anrufe. Du hast mir deine Nummer geschickt.«
»Sicher, find ich cool, dass wir mal reden können.« ChicagoChris präsentierte sich online als rücksichtsloser Radikaler, als ein Mann, der alle Übel dieser Welt beseitigen wollte, der für eine extreme Umverteilung der Reichtümer eintrat und so die Welt vor der Überindustrialisierung retten wollte. In den Diskussionsgruppen gab er sich sehr entschlossen, doch am Telefon klang er wie ein nervöser Schuljunge. »Bist du in Chicago?«
»Nein«, antwortete Luke, »aber ich muss nach Chicago, und ich brauche Hilfe. Ich hab mächtig Ärger am Hals.«
Chris schnalzte mit der Zunge und wartete.
»Ich hab ein paar Wahrheiten in einem Board geschrieben, wo ich’s besser nicht getan hätte, und jetzt ist das FBI hinter mir her.«
»Du solltest das Wort FBI nicht in einem Telefongespräch sagen. Die Regierung nimmt alle Gespräche in allen fünfzig Bundesstaaten auf, in denen FBI vorkommt, und das landet direkt beim FBI. Wenn du zum Beispiel sagst, scheiß auf das FBI, dann wissen Sie, dass du’s gesagt hast. Dann legen sie eine Akte über dich an.«
»Sorry«, sagte Luke.
ChicagoChris beendete das Gespräch.
Luke wählte erneut. Chris meldete sich. »Du musst besser aufpassen. Du willst doch nicht ihre Überwachungssoftware mit einem Stichwort auslösen.«
Luke dachte sich, eigentlich müsste in Chris’ paranoider Welt auch Überwachungssoftware ein solches Stichwort sein, doch er wollte nicht, dass er wieder auflegte. »Okay. Also, ich
weiß, du kennst mich nicht, aber wir sind doch Brüder in unserem Kampf, nicht wahr?«
Chris schwieg einen Augenblick. »Vielleicht.«
»Ich muss nach Chicago. Ich brauche deine Hilfe. Ich hab keine Kreditkarte und auch kein Geld.«
»Du willst, dass ich dir Geld schicke«, sagte er ungläubig.
»Ich schwöre dir, du bekommst es zurück.« Die meisten Leute hätten jetzt aufgelegt. Einem Freund helfen, den man nur vom Internet kannte? Nicht sehr wahrscheinlich. Aber Luke hoffte auf zwei Dinge: Chris hatte ihm die Telefonnummer geschickt, weil ihm Lukes Beiträge in dem Diskussionsforum gefielen und weil er wahrscheinlich keine Freunde hatte. Und in gewisser Weise glaubte man als Mitglied einer solchen Gruppe doch, einer Bruderschaft anzugehören. Diese Leute waren so allein mit ihrem Hass, dass sie einander brauchten, um sich gegenseitig in ihrem Glauben an eine verrottete, verdammte Welt zu bestärken. Das war einer der Schlüssel zum psychologischen Verständnis von Terroristen: Gewalt war ein Gruppenphänomen. Luke musste an das Gefühl appellieren, dass sie Kameraden waren. »Bruder, ich brauche nur so viel, dass ich mir ein Busticket nach Chicago kaufen kann, und ein bisschen was zu essen.«
»Wo bist du?«
»In der Bibliothek von Braintree, Texas.« Dann ließ er sich noch eine Halblüge einfallen, der Chris nicht widerstehen konnte: »Ich habe Informationen über den Chlor-Unfall in Texas. Die Regierung ist in die Sache verwickelt.«
»Was hast du genau?«
»Also, hilf mir, nach Chicago zu kommen, dann erzähle ich dir alles. Falls mich das Du-weißt-schon mit den drei Buchstaben nicht vorher erwischt.«
»Wie viel ist die Info wert?«
»Schick mir das Geld, und du erfährst es.«
»Du könntest auch ein Bulle sein, der mir eine Falle stellen will. Die Bullen würden mich zu gern erwischen.«
»Ich bin aber keiner. Ich kann dir keine E-Mail schicken, weil ich verfolgt werde. Ich muss mich vom Netz fernhalten, so weit es geht. Ich telefoniere gerade mit einem Handy, das ich aus der
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