Vertrau mir! - Thriller
hatte plötzlich größere Angst vor diesem Kerl als zuvor in der Küche mit Mouser. Chris’ leises falsches Lächeln verbarg einen tiefen Abgrund.
»Dein Stiefvater hat sich mit mir in Verbindung gesetzt, Luke. Vor einem Monat. Er wollte sich mit mir beim Flughafen auf einen Kaffee treffen. Ich hab ihn gestern auf CNN gesehen und wiedererkannt, als er über dich gesprochen hat.«
Blankes Entsetzen machte sich in Lukes Brust breit. »Hat er gesagt, warum er sich mit dir treffen will?« Das war der Beweis: Henry hatte Lukes Forschungsarbeit dazu benutzt, um
mit den Extremisten in Kontakt zu treten. Und diesen einen hatte er offenbar mächtig verärgert.
»Er hat mich über die IP-Adresse gefunden, von der ich gepostet habe. Er hat gemeint, dass er die Klarheit meiner Argumente schätzt. Und meine Leidenschaft. Solche Einladungen krieg ich nicht jeden Tag. Ich hab mich also mit ihm auf einen Kaffee getroffen. Er hat eine Mütze getragen und eine andere Brille, und er hat mit einem südlichen Akzent gesprochen, von dem im Fernsehen nichts mehr zu hören war. Egal: Er war es.«
»Aber es ist nicht gut gelaufen.«
»Passiert mir ja öfter, dass ich manchen Leuten unheimlich bin. Sie empfinden mich als Bedrohung, weil ich einfach mehr drauf hab. Mutter sagt, alle sind neidisch auf mich. Das erklärt eine Menge. Aber für ihn war ich nicht gut genug.« Die gezwungene Fröhlichkeit, die er zuvor gezeigt hatte, war verschwunden - stattdessen kochte er innerlich vor Wut. »Kannst du dir das vorstellen?«
Er war eine Bedrohung, weil er verrückt war, dachte Luke. Nicht diszipliniert und zielgerichtet wie Mouser oder Snow. Die Armee will keine Verrückten, und die Night Road genauso wenig. Verrückte sind ein Sicherheitsrisiko.
Chris war nicht zur Party eingeladen worden.
Luke blickte an ihm vorbei und suchte nach einer Waffe, nach irgendetwas, mit dem er sich verteidigen konnte. Sein Blick fiel auf die Bilder - die Fäuste, die zu einem Netz verwoben waren, die beiden finster dreinblickenden Teenager. Sein Magen krampfte sich zusammen, als er ihre Gesichter erkannte: die Columbine-Mörder. »Vielleicht hat mein Stiefvater einfach nicht richtig beurteilt, was du beitragen könntest.«
»Er wollte wissen, ob ich schon mal daran gedacht hätte,
meine Worte in die Tat umzusetzen. Ob ich Computerkenntnisse hätte. Ob ich fähig wäre, schnell Geld aufzutreiben, und ob ich Kontakte zur Drogenszene hätte. Bitte. Ich dröhne mir doch nicht den Kopf mit Drogen zu. Ich bin ein anständiger Kerl, der einfach nur diese ganze Heuchelei satt hat. Und ein Maler zu sein, genügt anscheinend nicht.« Sein Mund verzog sich zu einem höhnischen Lächeln. »Ich habe seitdem nichts mehr von ihm gehört. Wenn er sich an mich gewandt hat, weil er die Welt verändern will, dann hat er sicher auch mit anderen gesprochen. Mit Leuten, die er in den Diskussionsforen gefunden hat und die bereit sind, etwas zu tun. Also.«
»Also.«
»Du bist wertvoll für ihn. Du bist meine Eintrittskarte in diesen privaten Club.«
Luke wich einen Schritt zurück. »Du irrst dich. Total.«
»Du bittest mich um Hilfe, und jetzt willst du mir nicht helfen. Das ist wieder mal typisch.« Seine Wut verwandelte sich in weinerliches Flehen. »Ich könnte wirklich etwas für euch tun. Ich kann euch helfen, die Welt zu verändern. Ich hätte endlich …« Er sprach den Satz nicht zu Ende, aber Luke hörte die traurige Wahrheit heraus: Ich hätte endlich Freunde.
Wie mochte es sich anfühlen, wenn einen sogar diese Extremisten zurückwiesen?
»Ich kann’s nicht mehr hören, dass ich angeblich nicht gut genug bin. Ich hab dich geschnappt, während dich alle vergeblich suchen. Also rufen wir zwei jetzt deinen Stiefvater an und reden mit ihm.«
Luke machte die drei Schritte auf Chris zu und schlug ihm mit der Faust gegen den Kiefer. Der Angriff überraschte sie beide. Chris ging zu Boden, und der Schmerz von dem
Schlag strahlte in Lukes Arm aus. »Hast du meinem Stiefvater gesagt, dass ich hierherkomme?«, rief Luke.
Chris wischte sich etwas Blut aus dem Mundwinkel. »Du hast mich geschlagen. Das darfst du nicht.« Er klang wie ein kleiner Junge, der sich beschwerte, weil sich ein anderes Kind auf dem Spielplatz danebenbenommen hatte.
»Antworte mir.«
»Ja. Ich hab deinen Arsch verkauft. Damit komm ich in die Night Road rein, dann kann ich endlich zeigen, was ich draufhab.« Er sah auf seine Uhr. »Sie sollten bald hier sein, um dich abzuholen. Nur damit du
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