Vertraue nicht dem Feind
denken, wie es wäre, eigene Kinder zu haben. Doch solche Gedanken verdrängte sie schnell. Für Tagträume von einer gemeinsamen Familie war die Beziehung mit Reese noch zu frisch.
Meist kam er gegen achtzehn Uhr nach Hause. Sie wechselten sich beim Abendessen machen und dem anschließenden Aufräumen ab. Manchmal kam Reese allerdings erst viel später zurück. Einige Tage zuvor war ein Diner ganz in der Nähe überfallen worden. Es hatte drei Verletzte gegeben, und Reese war die halbe Nacht unterwegs gewesen, um Spuren nachzugehen. Am Ende spürte er die beiden Täter tatsächlich auf, doch im Rahmen der Verhaftung geriet er selbst in ein Handgemenge. Glücklicherweise trug er keine ernsthaften Blessuren davon, hatte aber noch immer ein blaues Auge.
Über das tote Mädchen und Cheryls Entführer hatte er bisher nichts herausfinden können. Reese und Logan führten sehr oft geheimnisvolle Telefongespräche, und bei Rowdys gelegentlichen Stippvisiten steckten er und Reese verschwörerisch die Köpfe zusammen.
Auch wenn Alice verstand, dass Reese sie damit nur vor dem harten Alltag seiner Polizeiarbeit schützen wollte, fühlte sie sich ausgeschlossen. Sie versuchte, sich nicht allzu viele Gedanken zu machen und ihn nicht permanent mit Fragen zu löchern. Reese hatte sie in Sachen Trace nicht weiter behelligt, und so wollte auch sie ihn nicht dazu drängen, Details über die Ermittlungen zu verraten.
Alles wäre viel einfacher gewesen, wenn sie gewusst hätte, ob Reese in sie verliebt war.
Er war nett, fürsorglich, aufmerksam und sexuell ein Traum. Aber durfte sie daraus folgern, dass es ihm ernst mit ihr war?
Oder bewies das nur wieder, dass er ein toller Kerl war?
Immer wieder erwog sie, Peppers Plan umzusetzen. Die Vorstellung, im Bett das Kommando zu übernehmen, das Kommando
über Reese
zu übernehmen, und ihm so sehr die Sinne zu verwirren, dass er ihr seine geheimsten Gedanken offenbarte, war wirklich unglaublich verführerisch.
Seine Gedanken über sie, über ihre gemeinsame Zukunft – falls es denn eine gab.
Doch bisher hatte Reese ihr keine Gelegenheit dazu gegeben. Die Nächte mit ihm erschöpften Alice derart, dass er jeden Morgen lange vor ihr aufwachte. Wenn sie ihn nur anlächelte, stürzte er sich schon auf sie. Wenn sie ihn ausgiebig bewunderte, fasste er ihre intensiven Blicke als Aufforderung auf – die sie meist auch waren.
Das Knistern zwischen ihnen hatte kein bisschen nachgelassen, sondern schien sich im Gegenteil von Tag zu Tag noch zu steigern. Konnte daraus Liebe werden? Sie hoffte es sehr.
Alice tigerte gerade unruhig im Wohnzimmer auf und ab und überlegte wieder einmal, wie sie Peppers Trick in die Tat umsetzen konnte, als sie unerwartet Reeses Schritte im Flur hörte.
Er war eine Stunde zu früh dran!
Cash stürmte vor ihr in den Flur. Alice verharrte einen Augenblick. Sie fühlte sich irgendwie schuldig. Schließlich hatte sie klammheimlich Pläne geschmiedet, wie sie Reese verführen konnte, und die verruchten Gedanken hatten zudem auch ihr eigenes Verlangen entfacht.
Als sie schließlich auf den Korridor trat, kniete Reese am Boden, um Cash zu begrüßen. Obwohl sie nur seinen Scheitel und seine breiten Schultern sehen konnte, spürte Alice, dass etwas nicht stimmte.
»Reese?«
»Soll ich mit diesem kleinen Monster mal um den Block gehen?«, fragte er und kraulte Cash den Nacken. »Was meinst du, mein Junge? Willst du nach draußen?«
Doch Cash, der bereits zwei Mal draußen gewesen war, wedelte nur matt mit dem Schwanz.
Alice trat auf die beiden zu. »Was ist los?«
»Wieso, was soll denn sein?«, entgegnete Reese mit unschuldiger Miene und griff nach Cashs Leine.
Seine ausweichende Antwort beunruhigte sie nur noch mehr. »Reese Bareden, wag es ja nicht, diesen süßen Hund vorzuschieben!«
Reese gab auf und richtete sich zu seiner vollen, Respekt einflößenden Größe auf.
Er hatte ein frisches blaues Auge, einen Kratzer auf dem Nasenrücken, eine aufgeplatzte Lippe …
Alice blieb wie angewurzelt stehen. »Was um alles in der Welt ist denn mit dir passiert?«
Reese stemmte eine Hand in die Hüfte, während er mit der anderen Cashs Leine festhielt. Er senkte ungehalten den Kopf und grummelte etwas vor sich hin.
Alice wartete.
Schließlich sah er wieder auf und stellte sich ihrem kritischen Blick. »Ein paar Schläger haben im Revier eine Prügelei angezettelt.«
»Und du hast versucht, sie mit deinem Gesicht aufzuhalten?«
»Nein, Schlauberger.« Er
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