Vertraute Gefahr
hätten sicher etwas dagegen.«
»Meine Familie ist auch für Freunde immer da.« Er betonte das Wort ›Freunde‹.
»Ich würde mich nicht unbedingt als eine Freundin deiner Familie bezeichnen.«
»Du kannst es aber werden, wenn du möchtest.«
Dieses freundliche Angebot machte sie sprachlos. Wärme breitete sich in ihr aus. »Danke.«
Er strich kurz mit einem Finger über ihre Wange. »Keine Ursache. Dann werde ich wohl mal mit dem Essen anfangen, sonst wird es nie fertig. Sieh dich ruhig weiter um.« Einladend deutete er auf den Raum.
Das ließ sich Autumn nicht zweimal sagen. Von der Porträtaufnahme bis zum Familienausflug war alles vertreten. Als sie die Bilder betrachtete, fiel ihr plötzlich auf, dass Leigh auf keinem der Fotos im Rollstuhl saß. Da sie nicht direkt fragen wollte, wählte sie einen Umweg. »Wie hat deiner Schwester der Park gefallen?«
Shane, der gerade mit einem Küchenmesser hantierte, drehte sich zu ihr um. »Leigh? Gut, wie immer. Ich lade sie von Zeit zu Zeit ein, damit sie nicht in ihrer Wohnung versauert.« Er zuckte die Schultern.
»Wie lange …« Autumns Stimme verklang. Sie wusste nicht, wie sie die Frage vorsichtig formulieren sollte.
Doch Shane kam ihr zuvor. »Sie ist seit etwa einem Jahr gelähmt. Ein Autounfall.«
Autumn konnte den Schmerz in seiner Stimme hören und ging zu ihm. »Das ist schrecklich.«
Shane nickte. »Schlimmer ist allerdings, dass es noch nicht mal einen medizinischen Grund für die Lähmung gibt. Die Ärzte sagen, dass es eine psychische Sache ist.«
Verständnislos blickte Autumn ihn an. »Ist es nicht eher positiv, dass es keine körperliche Ursache hat? Dann ist es wenigstens umkehrbar.«
»So gesehen schon. Allerdings ist es für Leigh viel frustrierender. Ich glaube, sie gibt sich die Schuld an dem Unfall. Ihr Freund ist dabei gestorben.« Er wirkte bedrückt. »Aber sie spricht mit uns nicht darüber. Mit niemandem.« Wütend ballte er die Fäuste. Dann entspannte er sich langsam wieder. Er lächelte Autumn entschuldigend an. »Das regt mich jedes Mal wieder auf.«
Je mehr sie von Shane erfuhr, desto weniger konnte sie sich vorstellen, dass er sie verletzen wollte. »Ich hätte nicht fragen sollen.«
»So ein Unsinn. Du kannst mich alles fragen.« Er ließ ein freches Grinsen aufblitzen, sein Kummer schien momentan vergessen. »Wir wollen uns doch schließlich kennenlernen, oder nicht?«
Diese Frage ließ sie lieber unkommentiert. Sie wusste nicht, ob sie das wollte. Was war, wenn sie sich darauf einließ? Konnte sie überhaupt erneut eine engere Bindung eingehen? Es erstaunte sie, dass in ihr nach den Erlebnissen mit Robert immer noch der Wunsch nach Freundschaft und Liebe vorhanden war. Doch das war anscheinend eine Sache, die er ihr nicht hatte nehmen können. Allerdings machte es ihr das noch schwerer, eine Entscheidung in Bezug auf Shane zu treffen.
Als sie nicht antwortete, drehte Shane sich zurück zur Küchentheke und begann mit den Essensvorbereitungen.
Autumn beobachtete ihn eine Weile dabei, bevor sie sich ihm näherte. »Kann ich vielleicht irgendwie helfen?«
»Deck doch schon mal den Tisch. Das Geschirr ist im Schrank links von mir.« Mit dem Kinn deutete er auf einen kleinen Unterschrank. Autumn öffnete die Tür und erblickte ordentlich gestapelte Teller, Gläser, Tassen und einen Korb mit Besteck. »Bist du immer so akkurat?«
»Ja. Ist das schlimm?«
»Ich habe schon Schlimmeres erlebt.« Sowie die Worte aus ihrem Mund waren, wollte Autumn sie zurücknehmen.
Shane blickte sie mitleidig an. »Das glaube ich.«
Wenn sie gehofft hatte, dass Shane bisher noch nicht gemerkt hatte, dass etwas mit ihr nicht stimmte, wurde sie jetzt eines Besseren belehrt. Abrupt wandte Autumn sich dem Geschirr zu und hockte sich vor den Schrank. Ein deutlich hörbares Knacken ertönte in ihrem verletzten Knie. Vor Schreck verlor sie das Gleichgewicht und suchte instinktiv nach einem Halt. Der einzig erreichbare war Shanes Bein. So umfasste sie mit ihrem Arm seinen Oberschenkel, während er das Messer in die Spüle fallen ließ, sich zu ihr hinunterbeugte und sie an der Schulter festhielt. Ihr Gesicht drückte sich an seine Hüfte und Autumn spürte verlegene Hitze in ihr Gesicht steigen. Ihr Oberkörper war um seinen muskulösen Schenkel gewickelt, ihre Hand lag dicht an einer empfindlichen Stelle. Als handele es sich um glühende Kohlen, ließ sie ihn los. Dadurch geriet sie wieder ins Wanken, Shanes Griff verstärkte sich.
»Halt
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