Vertraute Gefahr
irritiert an. »Was hast du denn dagegen?«
Shane ruderte sofort zurück. »Das hast du falsch verstanden. Natürlich finde ich es gut, dass sie Jura studiert, aber sie erscheint mir noch so jung, es kommt mir wie gestern vor, als sie noch in Windeln über die Ranch gelaufen ist.«
»Was hast du denn gemacht, als du so alt warst wie sie?«
Er überlegte, die Stirn in Falten gezogen. »Ich denke, da habe ich gerade Architektur studiert. Aber das ist schon so lange her …«
Erstaunt blickte Autumn ihn an. »Du hast Architektur studiert? Und was machst du dann als Ranger im Arches?«
»Ich habe irgendwann gemerkt, dass ich lieber in der Natur bin als in der Großstadt und Häuser lieber fotografiere, als sie zu entwerfen.« Er zuckte die Schultern. »Ich fühle mich wohl in meinem jetzigen Beruf.«
Autumn nickte. »Das merkt man. Und nach den Fotos zu urteilen, die ich bis jetzt gesehen habe, hast du die richtige Entscheidung getroffen.« Shane lächelte erfreut, seine Ohrenspitzen wurden warm. Autumn wechselte das Thema. »Dann bist du als richtiger Naturbursche aufgewachsen?«
Shane lachte. »Mehr oder weniger. Wir hingen natürlich immer in den Ställen und bei den Cowboys herum, aber so richtig konnte ich mich nie mit der Arbeit anfreunden. Sie ist schwer und schmutzig und teilweise auch gefährlich. Ich habe mich deshalb ziemlich schnell den schöneren Seiten des Lebens zugewandt.«
Bei dem Gedanken daran begannen seine Augen zu leuchten. »Irgendwann habe ich von meinem Großvater zu Weihnachten seine alte Canon bekommen. Tag und Nacht bin ich damit über die Ranch gewandert und habe alles fotografiert, was mir vor die Linse kam. Tiere, Menschen, Pflanzen, Berge – einfach alles. Aufgrund der Nähe war ich auch oft im Yellowstone National Park. Ich war von der Natur so begeistert, dass ich Tausende von Fotos geschossen habe, die ich in meinem eigenen kleinen Labor entwickelte, weil ich mein Hobby sonst nicht mehr hätte bezahlen können. Da ich mich auch für Baustile interessierte und dachte, mit Fotografieren könnte man kein Geld verdienen, studierte ich in Laramie, an der Universität von Wyoming, Architektur. Danach arbeitete ich zwei Jahre für eine Baufirma, merkte aber schnell, dass ich doch lieber etwas anderes machen wollte. Ich bin dann zurück zum Yellowstone gekommen und habe dort als Ranger gearbeitet und nebenbei Fotos gemacht.« Er holte tief Luft. »Und das war meine Lebensgeschichte, den Rest kennst du ja schon.« Er lächelte Autumn an und blickte an ihr vorbei aus dem Fenster. »Wir sind fast da. Man kann schon die Grand Tetons sehen.« Die charakteristisch scharf gezackte Bergkette war von grünen Wiesen umgeben.
Autumn folgte seinem Blick nach unten. »Sind das da unten Tiere?«
Shane beugte sich über sie, bis seine Wange ihr Haar berührte. »Ja, der Größe nach zu urteilen wahrscheinlich Bisons. Es gibt hier aber auch viele Hirsche und sogar Elche.« Er atmete tief den Duft ihrer Haare ein. Er hätte Stunden damit zubringen können, einfach nur neben ihr zu sitzen, mit ihr zu reden, sie anzusehen und ihre Nähe zu spüren. Langsam zog er sich zurück, während er darauf achtete, sie an möglichst vielen Stellen zu berühren. Schließlich blickte er direkt in ihre brennenden Augen. Ihr Atem kam stoßweise. Sie sah ihn fragend an. Mit einem unterdrückten Stöhnen senkte er seinen Mund auf ihre weichen Lippen.
Wie um ihn zu ärgern, ertönte genau in diesem Moment wieder die Stimme des Piloten, der sie aufforderte, sich auf die Landung vorzubereiten.
Shane zögerte kurz, drückte noch einen sanften Kuss auf ihren Mund und zog sich dann zurück. »Irgendjemand meint es heute nicht gut mit mir.« Er blickte zu Autumn, die immer noch wie versteinert in ihrem Sitz hockte. »Bist du angeschnallt?«
»Ich … ähm … ja, ich hatte den Gurt gar nicht wieder gelöst.« Sie schüttelte den Kopf und wandte sich wieder dem Fenster zu. »Was ist denn mit dem Wald los?«
Riesige Waldflächen flogen unter ihnen dahin, in denen immer wieder große kahle Stellen auftauchten. »Das Gebiet gehört zum Yellowstone. 1988 wütete hier monatelang ein riesiges Feuer. Sechsunddreißig Prozent des Waldbestandes sind dabei abgebrannt. Inzwischen wachsen zwar wieder neue Bäume nach, doch bis diese die Größe der alten Bäume erreicht haben, dauert es bestimmt noch einmal zwanzig Jahre, wenn nicht noch länger.«
»Konnte man das Feuer denn nicht löschen?«
»Hat man versucht, doch es war außer
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