Vertraute Gefahr
Tasche packen?«
»Zehn Minuten.« Sie blickte an sich herunter. »Wenn ich allerdings noch mein dreckiges Zeug wechseln will und meine Hände waschen, brauche ich länger.« Lächelnd blickte sie ihn an. »Vielleicht solltest du dich auch waschen, ich fürchte, ich habe dich mit meinen schwarzen Händen angefasst.« Shane blickte in den Rückspiegel und sah auf beiden Seiten seines Gesichts dunkle Streifen. Rasch stieg er aus und ging zum Waschbecken hinüber. Nachdem sie sich so gut es ging gereinigt hatten, holten sie ihre Sachen aus den Zimmern und waren nach einer Viertelstunde zum Aufbruch bereit.
Wieder hatte sich die Familie auf der Veranda versammelt, und alle verabschiedeten sie herzlich. Shane wurde umarmt, während Autumn Hände schüttelte. Auch Jay traute sich nichts anderes, nachdem sie ihm einen scharfen Blick zugeworfen hatte. Es tat Autumn leid, diese nette Familie und die schöne Ranch so schnell schon wieder verlassen zu müssen, aber die Arbeit wartete.
Von Clint wurden sie schließlich zum Flughafen gebracht. Er fuhr genauso, wie er ritt, schnell, aber sehr kontrolliert. Auch diesmal gab sein Gesichtsausdruck keinen seiner Gedanken preis, während er Shanes Fragen zur Ranch beantwortete. Sie erreichten den Flugplatz zehn Minuten vor dem Abflug. Clint ließ den Motor laufen, während er ihr flüchtig die Hand reichte und Shane kurz die Schulter drückte.
»Du weißt, wo du mich erreichst.« Mit dieser kryptischen Aussage wendete er den Jeep und fuhr davon.
Autumn blickte erstaunt dem davonbrausenden Auto hinterher. Fragend wandte sie sich an Shane. »Was hat er damit gemeint?«
Er sah ihr nicht direkt in die Augen. »Gar nichts, nur eine Floskel.«
Autumn runzelte die Stirn. Soweit sie es beurteilen konnte, hatte Shane sie bisher noch nie belogen. Warum sollte er jetzt damit anfangen? Nach einem prüfenden Blick erkannte sie, dass er nichts mehr zu dem Thema sagen würde.
Während des Fluges, der weitgehend schweigend verlief, fühlte Autumn die Seitenblicke, die Shane ihr von Zeit zu Zeit zuwarf. Als sie ihn wieder einmal dabei ertappte, reichte es ihr. »Was ist los mit dir?«
Erst dachte sie, Shane würde sich wieder herausreden, doch diesmal nahm er ihre Hand und blickte sie ernst an. »Findest du nicht, es wird Zeit, dass wir uns einmal ernsthaft unterhalten?«
Zu seiner und auch ihrer eigenen Überraschung nickte sie. »Aber nicht jetzt, heute Abend.« Damit schloss sie die Augen und ließ ihren Kopf an die Lehne sinken. Sie fragte sich, ob sie mit diesem Gespräch nicht die Büchse der Pandora öffnete …
19
Ungeduldig schob Autumn den Schlüssel ins Schloss ihrer Hüttentür. Obwohl ihr der Ausflug zu Shanes Eltern sehr gefallen hatte, war sie doch froh, wieder zu Hause zu sein. Erstaunt hielt sie inne. Seit wann sah sie die kleine Hütte im Arches als ihr Zuhause an? Aber es war so und sie würde es sich nicht wieder nehmen lassen. Shanes Schweigen auf dem Rückflug hatte sie nervös gemacht. Was mochte in ihm vorgehen? Mit einem Ruck öffnete sie die Tür und trat in die Hütte. Sie ließ ihre Tasche auf den Boden fallen, bevor sie sich an die Tür lehnte und tief den Holzgeruch einatmete. Sie hatte sich bereits an ihr neues Leben gewöhnt, stellte sie fest. Es war im Endeffekt egal, dass fast nichts in dieser Hütte ihr gehörte oder dass sie ihr altes Leben hinter sich hatte lassen müssen, solange sie ihre Arbeit mochte und in Sicherheit war. Dass sie in Shane auch noch einen Freund gefunden hatte – und wahrscheinlich noch viel mehr, war ein netter, aber unerwarteter Bonus. Sein Zögern, als sie darauf bestanden hatte, allein sein zu wollen, wärmte ihr Herz. Vielleicht sollte sie nur kurz duschen und dann zu seiner Hütte hinübergehen.
Lächelnd hob sie ihre Tasche auf und ging in Richtung Schlafzimmer. Aus den Augenwinkeln sah sie ein Paket auf dem Küchentisch liegen. Neugierig ging sie darauf zu. Auf den Seiten prangte der Schriftzug eines Verlags für Naturbücher. Die Hand bereits an der Pappe hielt sie inne. Warum sollte jemand Bücher in ihre Hütte und nicht ins Visitor Center schicken? Und wie war das Paket in ihre Hütte gekommen? Sie versuchte sich zu erinnern, ob ihre Tür richtig verschlossen gewesen war, aber sie wusste es einfach nicht mehr. Ein unangenehmes Prickeln entstand in ihrem Nacken. Bevor der Mut sie verließ, knipste sie in allen Räumen das Licht an. Sie war allein in ihrer Hütte. Niemand versteckte sich in der Dusche oder unter dem
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