Verwandte Seelen
passieren.“
„Aber so haben wir uns immer schon verhalten – so haben wir gelebt! Wie es aussieht, hat das die Unsterblichen nicht davon abgehalten, uns zu überfallen!“ Matt war außer sich vor Wut.
„Ich glaube, sie hatten einen Grund“, erwiderte Grimmt nachdenklich. „Sie haben jemanden gesucht!“ Damit war die Unterhaltung für ihn beendet. Er wandte sich ab und ließ uns fragend stehen.
Wir waren so hilflos. Was konnten wir nur tun?
Dexter durchbrach die unangenehme Stille. „Der Junge ist schwer verletzt und hat hohes Fieber“, sagte er mit einem besorgten Blick auf Conner gerichtet. „Wenn es ihm morgen nicht besser geht, wird er nicht überleben!“
„Conner!“ Sally taumelte langsam auf uns zu. Sie war von Kopf bis Fuß klitschnass. Wahrscheinlich hatte man sie mit kaltem Wasser überschüttet, um sie munter zu bekommen. Weinend sah sie auf ihren Bruder hinab.
„Es wird alles wieder gut, Sally!“, flüsterte ich ihr zu und zog sie in meine Arme. „Es wird alles wieder gut.“ Wenn ich nur selber daran glauben könnte!
Dexter hob Conners Kopf an und versuchte ihm etwas Wasser einzuflößen. Schnell ließ ich Sally los. Ich half ihm, indem ich Conners Mund ein wenig weiter öffnete.
„Es wird Zeit aufzubrechen!“ Grimmt ritt an uns vorbei. „In wenigen Minuten wird es dunkel. Wir müssen einen beachtlichen Weg hinter uns bringen, solange uns die Dunkelheit Schutz bietet.“
Dexter breitete eine Decke über eine notdürftig aus Stämmen und Ästen gebaute Bahre aus, die hinter seinem Pferd befestigt war. „Kommt schon, helft mir euren Freund hier drauf zu legen!“
Matt fing an zu kichern. „Der arme Conner . . . Wenn das Pferd scheißt, bekommt er alles ab. Na ja, wenigstens liegt er einigermaßen bequem. Wenn ihr mich fragt, ist das besser, als wenn . . .“
„Halt die Klappe, Matt!“, sagten Sally und ich gleichzeitig. Er war also schon wieder fast der alte.
Sally und Matt bekamen gemeinsam ein Pferd zugewiesen. Ich musste hinter einem von Grimmts Männern aufsitzen. Die unfreiwillige Nähe zu diesem Fremden war mir unangenehm. Nachdem ich allerdings dem aufdringlichen Blick Marlons begegnete, war ich der Ansicht, dass es mich hätte schlechter treffen können.
Grimmt führte uns an und alle setzten sich in Bewegung.
Wir waren mit uns unbekannten Menschen . . . auf dem Weg an ein uns unbekanntes Ziel . . . in eine unbekannte Zukunft.
Inzwischen war es dunkel geworden. Die hohen Bäume schienen mir plötzlich bedrohlich. Außer der Hufe unserer Pferde und deren gelegentliches Schnauben war es ganz still. Waren wir zu laut? Ich hatte die Befürchtung, man konnte uns kilometerweit hören.
Ich versuchte in der Dunkelheit Grimmt auszumachen, konnte ihn aber nicht sehen. Irgendwo vor uns ritt er, um uns sicher durch jegliche Gefahren zu führen.
„Wann treffen wir auf Jake?“, flüsterte mein Vordermann Marlon zu, der die ganze Zeit neben uns herritt.
„Vielleicht schon morgen, falls wir es rechtzeitig zum Fluss schaffen. Wenn wir nicht zur vereinbarten Zeit da sind, zieht er mit seinen Männern weiter.“
„Aber wir brauchen ihn. Er kann uns nicht einfach im Stich lassen!“
Marlon schnaubte angewidert. „Von mir aus kann dieser Unsterbliche bleiben, wo der Pfeffer wächst! Wir kommen auch ohne ihn klar. Vielleicht ist er doch nur ein Spion Dougals.“
„Du spinnst doch, Marlon! Jake ist Grimmts bester Freund. Die beiden kennen sich, seit sie Kinder waren, sind zusammen aufgewachsen wie Brüder. Ohne ihn wären wir alle schon längst nicht mehr am Leben.“
„Seit sie Kinder waren . . . Dass ich nicht lache! Muss komisch für Grimmt sein, dass er langsam auf die Fünfzig zugeht und sein Spielkamerad immer noch wie ein Zwanzigjähriger daherkommt.“ Wütend trieb er sein Pferd an und ritt davon.
Ich verhielt mich ganz ruhig.
Grimmt hatte also einen Unsterblichen zum Verbündeten und wenn alles gut ging, würden wir schon morgen auf ihn treffen. Noch niemals zuvor in meinem Leben hatte ich einen Unsterblichen aus nächster Nähe gesehen. Die Anhänger Dougals, die hinter uns her waren, hatten die Kapuzen ihrer mäntelartigen Umhänge tief ins Gesicht gezogen. Niemals zuvor war ich ihnen so nah.
Meine Tante Maggi hatte mir immer Geschichten über sie erzählt. Darin wurden sie als überdurchschnittlich schön beschrieben. Sie besaßen ein großes Wissen und waren übermenschlich stark. Keine Krankheit konnte sie befallen. Wurden sie verletzt, so heilten ihre
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