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Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Verwechseljahre: Roman (German Edition)

Titel: Verwechseljahre: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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vielleicht doch nicht? Egal, beides war für mich ähnlich verlockend. Mutter waren solche Dinge natürlich egal. Aus dem Alter war sie raus. Sie dachte da viel praktischer. »Endlich ein Mann im Haus!«, würde sie jubeln. Ein großer, starker (dicker) Bär, der uns beschützt. Nun ja, er hätte sich um sie gekümmert. Betreutes Fernsehen, so was in der Art. Dann hätte ich ihr gegenüber nicht so ein schlechtes Gewissen haben müssen, wenn ich sie täglich acht Stunden allein ließ.
    Leider gab es da eine winzige Kleinigkeit, die mich daran hinderte, begeistert die Handwerker zu bestellen: Ich, Carin Bergmann, sechsundvierzig und ledig, wollte nicht mit Rainer Frohwein zusammenleben! Obwohl ich auf dem besten Wege war, eine alte Jungfer zu werden, wie Mutter gerne durchblicken ließ. Lieber welkte ich einsam vor mich hin, wurde wunderlich und vertrocknete meinetwegen (alles düstere Prognosen meiner Mutter), als so einen faulen Kompromiss einzugehen! Mutter war fest davon überzeugt, dass ich nie mehr einen Mann kennenlernen würde, der mich so auf Händen trug wie Rainer. Was ich mir denn noch erträume, in meinem Alter?! Worauf ich denn warte?! Sooo schön sei ich nun auch nicht mehr! Welkende Blumen müsse man pflücken und schnell ins Wasser stellen, bevor sie faulig werden. (Danke, Mutter!)
    Doch ich war zufrieden mit meinem Leben. Es hatte Turbulenzen gegeben, aber bei wem gibt es die nicht? Und ich musste auch gar nicht auf Händen getragen werden. Naaaaa guuuut, zugegeben: Natürlich war da mal was gewesen, mit Rainer und mir. Vor Jahren. Er hatte wirklich alles versucht, mich für eine eheähnliche Partnerschaft zu gewinnen, und wir waren ein paar mal zusammen aus gewesen. Und, jaaaaaa, wir waren auch einmal im Bett gelandet, nach zwei Flaschen Froh-Wein. Oder waren es doch mehrere Male gewesen? Jaaaaa, zugegeben, ich hatte versucht, mir den Mann schönzutrinken, allein schon meiner Mutter zuliebe. Und jaaaaa, ich hatte versucht, über meinen Schatten, sprich, über die Balkonmauer zu springen. Gott, war ich damals betrunken! Ich erinnerte mich nur ungern daran. Es war, ohne Rainer zu nahe treten zu wollen (denn dafür sorgte er selbst), nicht so der Hit. Nein, also, alles, was recht ist. Es war … bemüht. Er bemühte sich, mich glücklich zu machen, und ich bemühte mich, ihn in dem Glauben zu lassen, er hätte mich glücklich gemacht. (Selber schuld, Carin Bergmann!) Im Nachhinein fand ich es schrecklich unfair von mir, ihn so belogen zu haben. Ich schämte mich, als ich am Morgen danach in den Spiegel sah. Er war so siegesgewiss, so rührend verliebt gewesen. Er hatte richtig glücklich gelacht und geglaubt, mein glückliches Lachen sei echt gewesen. Dabei konnte ich nach vollbrachtem Akt gar nicht schnell genug in meine Behausung zurückkommen. Er dachte, ich wäre genauso verliebt wie er, und rief zärtlich: »Lass dir Zeit, denk in Ruhe über alles nach!« Während ich einfach nicht fassen konnte, dass mir so etwas Dämliches passiert war! O Gott, warum täuscht man als erwachsene Frau einen Orgasmus vor? Das ist doch ein Eigentor!
    Solche Dinge konnte ich leider nicht mit meiner Mutter diskutieren. Das Einzige, was sie je zu diesem Thema gesagt hatte, war: »Pah! Eine Frau MUSS keinen Orgasmus haben. Es gibt Wichtigeres im Leben.« Und in ihrer Denkblase stand: »Wo kommen wir denn da hin, wenn jede Frau einen Orgasmus haben will!« EINEN, Mutter? Ich bin nicht sicher, ob wir in derselben Liga spielen!
    Aber zurück zu Rainer. Briefe wurden unter dem Türspalt hindurchgeschoben, in denen stand: »Ich will dich ganz für mich gewinnen!«, und: »Du hast einen glücklichen Mann aus mir gemacht«, dabei hatte ich einen Trottel aus ihm gemacht, und er hatte mich längst verloren. Er tat mir leid, und ich schämte mich, aber manchmal packte mich auch die Wut. Wie konnte man nur so grenzenlos naiv sein! Es war ein One-Night-Stand! Oder mehrere. So was kann schon mal passieren. Es war ein Versehen. Es hatte keinerlei Bedeutung.
    Für ihn aber sehr wohl. Ich war seine Traumfrau und wohnte zu meinem großen Pech gleich nebenan.
    Behutsam versuchte ich, das Ganze einschlafen zu lassen. Ich bat um Abstand. Um Zeit. Was gar nicht so einfach war bei unseren Wohnverhältnissen und meiner pflegebedürftigen Mutter, die dauernd nach ihm rief: Glühbirne hier, Klospülung da. Oh, Rainer war da sehr flexibel. Und seitdem beteuerte er mir, dass ich alle Zeit der Welt hätte, um über eine Beziehung nachzudenken.

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