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Verwesung

Verwesung

Titel: Verwesung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Beckett
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Skepsis schien er offensichtlich vergessen zu haben. «Gut, dann schauen wir mal, was wir hier haben, ja?»
    Ein Kriminaltechniker brachte eine Tasche mit Spitzhacken, Spaten und anderen Grabwerkzeugen in die Senke und ließ sie klappernd ins Gras fallen. Wainwright öffnete sie und nahm einen Spaten heraus.
    «Ich helfe Ihnen», sagte ich, doch es war zwecklos.
    «Oh, ich glaube, das ist nicht nötig. Wenn ich Ihre Assistenz benötige, sage ich Bescheid.»
    Das Wort
Assistenz
klang bei ihm wie eine Beleidigung. Jetzt, wo es so aussah, als hätten wir etwas gefunden, wurde der Archäologe plötzlich besitzergreifend. Wenn es sich tatsächlich um ein Grab handeln sollte, konnte ich mir vorstellen, wer den Ruhm dafür einstreichen würde. Ich sagte mir, dass es keine Rolle spielte, aber es wurmte mich trotzdem.
    Uns anderen blieb nichts weiter übrig, als Wainwright dabei zuzuschauen, wie er mit dem Spaten den Umriss eines schmalen Rechtecks auf dem Erdhügel zog. Eine Proberinne auszuheben, ist bei der Öffnung eines möglichen Grabes wesentlich effektiver, als es vollständig aufzugraben. Auf diese Weise würden wir schnell sehen, womit wir es zu tun hatten, wie die Leiche ausgerichtet und wie tief sie vergraben war, ehe man sich an die tatsächliche Graböffnung machte.
    Bei Wainwright sah die Arbeit leicht aus, ich wusste jedoch aus Erfahrung, dass sie alles andere als leicht war. Das Blatt des Spatens drang scheinbar mühelos in den Boden ein und hob gleichmäßige Schichten der Grasnarbe aus.
    «Der Torf ist eindeutig bewegt worden», brummte er. «Irgendetwas ist hier passiert.»
    Ich schaute kurz zu Monk hinüber. Der Häftling sah ausdruckslos zu. Man hörte nur das Knirschen des Spatens und das leise Knacken der Wurzeln, während die Grasnarbe entfernt wurde. Danach begann Wainwright, die Rinne tiefer auszuheben. Der Torfboden war feucht und faserig. Wainwright war ungefähr dreißig Zentimeter tief, als er plötzlich innehielt. «Geben Sie mir eine Kelle.»
    Die Anweisung war an niemand Speziellen gerichtet, doch ich stand am nächsten. Ich reichte Wainwright die Kelle und blieb auf der anderen Seite der Rinne stehen, während er sich hinhockte und Torf von seinem Fund abkratzte.
    «Was ist es?», fragte Terry.
    Der Archäologe runzelte die Stirn und schaute genauer nach. «Ich bin mir nicht sicher   … Ich glaube, es könnte   …»
    «Knochen», sagte ich.
    In dem dunklen Mulch war etwas Glattes und Helles zu sehen. Viel konnte man nicht erkennen, aber ich hatte Erfahrung darin, zwischen der glatten Oberfläche von Knochen und Steinen oder Baumwurzeln zu unterscheiden.
    «Menschlich?», fragte Sophie.
    «Das kann ich von hier aus noch nicht sagen.»
    «Aber definitiv Knochen», sagte Wainwright, ohne sich anmerken zu lassen, wie sehr ihm meine Einmischung missfallen hatte. Als er begann, den Torf wegzuschaufeln, war in der Senke nur das Kratzen der Kelle zu hören. Jeder starrte gebannt auf den Archäologen. Sophie hatte unruhig die Arme um ihren Oberkörper geschlungen. Terry stand mit nach vorn gebogenen Schultern und tief in die Taschen gestopften Händen da, als wäre er auf alles gefasst, während Roper genau hinter ihm auf seiner Unterlippe kaute. Nur Monk wirkte unbeeindruckt. Mittlerweile schaute er nicht einmal mehr zu, sah ich, sondern betrachtete das Moor hinter sich.
    «Hier ist irgendeine Art Stoff», sagte Wainwright dann. «Vielleicht Kleidung. Nein, warten Sie, ich glaube, es   …» Er beugte sich tiefer und verdeckte, was er gefunden hatte. Mit einem Mal richtete er sich auf. «Es ist Fell.»
    «Fell?» Terry lief los, um selbst nachzuschauen.
    Jetzt schaufelte Wainwright den Torf achtlos weg. «Ja, Fell! Das ist ein verfluchtes Tier!»
    Der Knochen, den er freigelegt hatte, entpuppte sich als Teil einer gebrochenen Hüfte, die aus einem struppigen, mit Torf überzogenen Pelz ragte.
    «Was ist es, ein Fuchs?»
    «Ein Dachs.» Wainwright zog eine verschmierte Pfote mit verkrusteten Krallen aus dem Morast und ließ sie fallen. «Glückwunsch, Miss Keller. Ihre Methoden haben Sie zu einem alten Dachsbau geführt.»
    Sophie war sprachlos. Als die anderen näher kamen, um besser sehen zu können, wirkte sie, als würde sie sich am liebsten in dem Loch verkriechen. Der Kadaver des Dachses war übel zugerichtet, aus dem verfilzten Pelz ragten überall Knochen hervor.
    «Wir mussten uns vergewissern», sagte ich ärgerlich. «Schließlich hätte es tatsächlich ein Grab sein

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