Verwesung
Jahren.
Terry Connors hatte sich nicht verändert. Natürlich war er älter geworden, die Geheimratsecken waren ausgeprägter als früher, und sein Gesicht sah müde und blass aus, was auf lange Stunden in Dienstfahrzeugen und Büros hindeutete. Um seine Augen waren Falten, die er früher nicht gehabt hatte. Doch obwohl er gealtert war und sein Kinn ein bisschen kantiger wirkte als in meiner Erinnerung, hatte sein gutes Aussehen kaum gelitten. Genauso wenig seine Großspurigkeit, die ein wesentlicher Bestandteil davon war. Sein Blick war immer noch von oben herab, wörtlich und im übertragenen Sinne. Obwohl er auf der unteren Stufe stand, waren seine dunklen Augen auf einer Höhe mit meinen. Ich sah, wie er mich musterte und wahrscheinlich genauso die Veränderungen registrierte, wie ich es getan hatte. Ich fragte mich, wie sehr ich mich in all dieser Zeit verändert hatte.
Erst dann spürte ich die Verunsicherung, ihn plötzlich vor mir zu sehen.
Ich hatte keine Ahnung, was ich sagen sollte. Er schaute die Straße hinab, als würde sie in die Vergangenheit führen, die hinter uns lag. Mir fiel auf, dass sein linkes Ohrläppchenfehlte, als wäre es mit einer Schere abgetrennt worden. Doch auch ich hatte inzwischen meine Narben.
«Entschuldige, dass ich hier unangemeldet auftauche, aber ich wollte nicht, dass du es aus den Nachrichten erfährst.» Er drehte sich wieder zu mir um und sah mich mit seinen erbarmungslosen und ungerührten Polizistenaugen an. «Jerome Monk ist geflohen.»
Diesen Namen hatte ich seit Jahren nicht gehört. Ich schwieg einen Moment, in dem die Erinnerung an die triste Landschaft des Dartmoors und den Geruch nach Torf wieder hochkam. Dann trat ich einen Schritt zurück und hielt die Tür auf.
«Komm lieber rein.»
Terry wartete im Wohnzimmer, während ich ging, um mich anzuziehen. Ich beeilte mich nicht. Unruhig und mit pochendem Herzen stand ich im Schlafzimmer. Meine Fäuste waren geballt.
Beruhige dich. Hör dir an, was er zu sagen hat.
Mechanisch knöpfte ich mein Hemd zu. Als ich merkte, dass ich nur hinauszögerte, ihm gegenüberzutreten, ging ich zurück.
Er stand mit dem Rücken zu mir vor dem Bücherregal, den Kopf geneigt, sodass er die Titel lesen konnte. Er sprach, ohne sich umzudrehen. «Schöne Wohnung. Lebst du allein?»
«Ja.»
Er zog ein Buch aus dem Regal. «‹Todesacker›», las er laut vor. «Du stehst nicht gerade auf leichte Lektüre, oder?»
«Dafür habe ich keine Zeit.» Ich unterdrückte meinen Ärger. Selbst als wir befreundet waren, hatte es Terry immer geschafft, mich zu provozieren. Wahrscheinlich war er unter anderem deswegen zu einem guten Polizisten geworden. «Kann ich dir einen Tee oder einen Kaffee machen?»
«Ich nehme Kaffee, wenn es kein entkoffeinierter ist. Schwarz, zwei Löffel Zucker.» Er stellte das Buch zurück ins Regal, folgte mir in die Küche und blieb in der Tür stehen, während ich die Kaffeemaschine füllte. «Das mit Monk scheint dich nicht zu beunruhigen.»
«Sollte es?»
«Willst du nicht wissen, was passiert ist?»
«Das kann warten, bis der Kaffee fertig ist.» Ich konnte seinen Blick spüren, als ich die Maschine anstellte. «Wie geht’s Deborah?»
«Seit der Scheidung blendend.»
«Tut mir leid.»
«Das muss es nicht. Ihr tat es jedenfalls nicht leid. Und immerhin sind die Kinder alt genug, um selbst zu entscheiden, bei wem sie wohnen wollen.» Als er lächelte, zeigten sich zwar Fältchen um seine Augen, aber keine Herzlichkeit. «Ich sehe sie alle paar Wochenenden.»
Was sollte ich dazu sagen? «Bist du noch in Exeter?»
«Ja, noch immer im Präsidium.»
«Mittlerweile Detective Superintendent, oder?»
«Nein. Immer noch Inspector.»
Er sagte das, als wartete er nur auf eine Bemerkung von mir. «Der Kaffee ist gleich fertig», sagte ich. «Wir können uns hinsetzen.»
Im Wohnzimmer war es gemütlicher, aber ich wollte Terry nicht dort haben. Es war schon seltsam genug, dass er überhaupt in meiner Wohnung war.
Er setzte sich mir gegenüber. Ich hatte ganz vergessen, wie groß er war. Offenbar hatte er sich fit gehalten, auch wenn man ihm die Zeichen des Alters ansehen konnte. Die kahle Stelle am Hinterkopf war bestimmt unerträglich für ihn.
Stille breitete sich aus. Ich wusste, was als Nächstes kommen würde.
«Es ist viel Zeit vergangen.» Er schaute mich mit einer unergründlichen Miene an. «Ich wollte mich immer melden. Nach der Sache mit Kara und Alice.»
Ich nickte nur. Ich hatte auf die
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