Verwesung
unvermeidliche Beileidsbekundung gewartet, so wie man sich gegen einen Schlag wappnet. Selbst nach all den Jahren kam mir jedes Wort falsch vor. Es war, als hätte der Tod meiner Frau und meiner Tochter ein fundamentales Gesetz des Universums verletzt.
Ich hoffte, dass er es dabei belassen würde, dass er seine Pflicht getan hatte. Doch er war noch nicht fertig.
«Ich wollte schreiben oder so, aber du weißt ja, wie es ist. Später habe ich dann gehört, dass du weggezogen bist und in irgendeinem Kaff in Norfolk als Arzt gearbeitet hast. Da hat es dann irgendwie keinen Sinn mehr gehabt.»
Das stimmte. Damals hatte ich keinen Menschen aus meinem alten Leben sehen wollen. Und schon gar nicht Terry.
«Aber ich freue mich, dass du wieder auf die Beine gekommen bist», fuhr er fort, als ich nichts sagte. «Ich habe gehört, dass du gute Arbeit machst. Bist du wieder in der forensischen Abteilung der Universität?»
«Vorläufig.» Ich wollte nicht darüber sprechen. «Wann ist Monk geflohen?»
«Gestern Nacht. Es kommt nachher in den Mittagsnachrichten. Die verfluchten Medien werden ihren großen Tag haben.» Seine Miene passte zu der Bitterkeit in seiner Stimme. Terry hatte die Medien nie gemocht, und daran hatte sich eindeutig nichts geändert.
«Wie konnte das passieren?»
«Er hatte eine Herzattacke.» Terry grinste schief. «Werhätte gedacht, dass so ein Arschloch ein Herz hat, was? Aber er hat es geschafft, die Ärzte in Belmarsh dazu zu bringen, ihn in ein ziviles Krankenhaus zu verlegen. Unterwegs hat er seine Fesseln zerrissen, die Scheiße aus den Wachen und dem Krankenwagenfahrer geprügelt und ist verschwunden.»
«Dann war die Attacke also fingiert?»
Terry zuckte mit den Achseln. «Kann man noch nicht sagen. Er hatte alle Symptome. Hoher Blutdruck, Herzrhythmusstörungen, das ganze Programm. Entweder hat er sie künstlich herbeigeführt, oder alles war echt, und er ist trotzdem geflohen.»
Normalerweise hätte ich gesagt, dass beides unmöglich war. Ein Hochsicherheitsgefängnis wie Belmarsh hatte eine gut ausgestattete Sanitätsabteilung mit Blutdruck- und EK G-Monitoren . Und jeder Häftling, bei dem so ernste Herzprobleme festgestellt wurden, dass man ihn zur weiteren Behandlung in ein Krankenhaus überführen musste, wäre niemals zu einer Flucht fähig. Allein der Versuch würde ihn umbringen. Aber wir redeten hier nicht über eine normale Person.
Es ging um Jerome Monk.
Die Kaffeemaschine hatte angefangen zu blubbern. Froh, etwas tun zu können, stand ich auf und goss den dampfenden Kaffee in zwei Becher. «Ich dachte, Monk wäre in Dartmoor.»
«Da war er auch, bis die Weicheier vor ein paar Jahren beschlossen, dass Dartmoor zu ‹inhuman› wäre, und es von Kategorie A auf C runterstuften. Danach wurde er zwischen ein paar anderen Hochsicherheitsgefängnissen hin und her geschoben. Am Ende zog Belmarsh das kürzere Streichholz.Aber wie man hört, hat ihn das nicht mürbe gemacht. Vor ein paar Monaten hat er einen anderen Insassen totgeschlagen, und als ihn zwei Wärter wegreißen wollten, hat er sie krankenhausreif geprügelt.» Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. «Es überrascht mich, dass du nichts davon gehört hast.»
Das hätte eine harmlose Bemerkung sein können, aber ich bezweifelte es. Anfang des Jahres war ich in den Vereinigten Staaten gewesen, und davor hatte ich mich von den Messerstichen erholt und mich kaum für die Nachrichten interessiert. Es war unmöglich zu sagen, ob Terry davon gehört hatte, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass er es wusste.
Auf diese Weise eine Reaktion hervorrufen zu wollen, sah ihm ähnlich.
Ohne mir etwas anmerken zu lassen, löffelte ich Zucker in einen Becher und reichte ihn Terry. «Warum erzählst du mir das alles?»
Terry nahm den Becher, ohne sich zu bedanken. «Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme. Wir warnen jeden, dem Monk etwas nachtragen könnte.»
«Und du findest, das trifft auf mich zu? Ich bezweifle, dass er sich überhaupt an mich erinnern kann.»
«Hoffen wir, dass du recht hast. Aber ich möchte nicht vorhersagen, was Monk plant, jetzt wo er geflohen ist. Du weißt genauso gut wie ich, wozu er fähig ist.»
Das ließ sich nicht leugnen. Ich hatte eines seiner Opfer untersucht und persönlich gesehen, was Monk einer jungen Frau angetan hatte. Dennoch konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich in Gefahr war.
«Wir sprechen über eine Sache, die vor acht Jahren gewesenist», sagte ich. «Außerdem hatte
Weitere Kostenlose Bücher