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Verwuenscht und zugenaeht

Verwuenscht und zugenaeht

Titel: Verwuenscht und zugenaeht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mandy Hubbard
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eiskalte Wasser aus meinen Haaren tropfte, begann ich, bei dem kurzen Aufstieg zu schwitzen, denn an diesem schicksalhaften Tag waren es für Enumclaw sagenhafte sechsunddreißig Grad.
    Auf dieser Seite des Flusses gibt es eine Klippe, die mehr als sechs Meter hoch ist. Besonders mutige Schwimmer springen von dort oben ins Wasser, aber das ist ziemlich gefährlich. Man muss eine tiefe Stelle erwischen, sonst schlägt man gegen die Felsen knapp zwei Meter unterhalb der Wasseroberfläche und bricht sich womöglich die Knochen.
    Es gibt Gerüchte, dass vor Jahren jemand an dieser Stelle gestorben sein soll. Angeblich war Alkohol im Spiel und der Verunglückte ist kopfüber gesprungen. Das macht den Leuten natürlich Angst. Viele stehen minutenlang dort oben und starren in die Tiefe, bevor sie den Schwanz einziehen und lieber wieder hinunterklettern.
    Manchmal versammeln sich sogar Schaulustige am Fuß der Klippe. Sie binden ihre Schlauchboote am Ufer fest und lassen sich treiben, während sie frotzelnd darauf warten, dass endlich jemand kommt, der tatsächlich den Mut hat zu springen.
    An diesem Tag sah ich Ben zum ersten Mal. Er und drei weitere Jungs standen dort oben und starrten mit bangen Blicken auf das Wasser. Ben war damals noch nicht der Draufgänger, der er heute ist. Ich kannte keinen der vier Jungs, fand aber später heraus, dass sie in die Mittelstufe der Thunder Mountain School gingen, die andere Schule in unserer Stadt.
    Schnell wurde mir klar, dass sie nur ein Haufen Angsthasen waren. Am liebsten wäre ich einfach an ihnen vorbeispaziert und, ohne zu zögern, von der Klippe gesprungen. Ich wollte ihnen unbedingt zeigen, aus welchem Holz ich geschnitzt war. Aber ihre Panik griff langsam aber sicher auf mich über, sodass die Schmetterlinge in meinem Bauch bald die Größe von Möwen hatten.
    Als Ben mich sah, schnaubte er abfällig, versuchte aber sofort, es zu überspielen.
    Â»Was ist?« Ich stemmte die Hände in meine knochigen Hüften über dem rosa Bikinihöschen. Schon damals hatte ich keine Kurven.
    Bens Haar war von der Sonne ausgeblichen und länger als jetzt. Er hatte eine Art Topfschnitt, bei dem er sich gerade noch die Haare hinters Ohr klemmen konnte. Er war sehr schlank und trug blau-rote Badeshorts.
    Â»Nichts!« Er verschränkte die Arme vor der Brust und lehnte sich nah am Klippenrand gegen einen Baum. »Was soll sein?« Mit seinen unfassbar blauen Augen funkelte er mich herausfordernd an und mir blieb fast das Herz stehen.
    Â»Hast du etwa Angst, ich könnte dich in Verlegenheit bringen? Schließlich bist du schon eine halbe Stunde hier oben«, erwiderte ich mit hochgezogener Augenbraue. Er durfte auf keinen Fall merken, dass er mich nervöser machte als der Gedanke an den Sprung.
    Ben erwiderte nichts.
    Ich verzog die Lippen zu einem triumphierenden Grinsen und trat auf den Rand der Klippe zu. Seine Freunde wichen einen Schritt zurück, als befürchteten sie, ich könnte sie mit mir in die Tiefe reißen. Als ich auf das Wasser hinabschielte, stockte mir der Atem. Plötzlich konnte ich verstehen, warum sie so lange gezögert hatten. Der Anblick erinnerte mich an einen dieser Trickfilme, in denen ein Clown eine Leiter bis zu den Wolken hinaufklettert und dann in einen Eimer Wasser springen muss.
    Ich hätte umkehren und den Jungs sagen können, dass ich genauso eingeschüchtert war wie sie.
    Doch das tat ich nicht. Ich sprang. Ich segelte durch die Luft und stürzte auf den Green River zu. Als das kalte Wasser über mir zusammenklatschte, wusste ich, dass ich Ben mit seinem herausfordernden Blick und dem unwiderstehlichen Lächeln hoffnungslos verfallen war.
    Ich verbrachte den Rest des Tages damit, ihm und seinen Freunden beim Schwimmen, Planschen und Rumalbern zuzusehen. Klar, die Jungs sind schließlich doch von der Klippe gesprungen. Nach meiner kühnen Vorstellung war ihnen gar nichts anderes übrig geblieben.
    Einen Monat später zog Ben um und kam auf meine Schule. Wir hatten zusammen Englisch, aber er schien sich nicht an mich zu erinnern, und das gab mir einen Stich. Wir saßen so weit auseinander, dass ich mich nicht traute, ihn anzusprechen. Außerdem wurde er sofort von ein paar Mädchen belagert. In Klamotten sah er sogar noch besser aus als in Badeshorts.
    Er verhielt sich, als wären wir uns nie am Fluss begegnet, als hätten wir uns nie in die Augen

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