Verwuenscht und zugenaeht
geschaut. Vielleicht habe ich Nicole deshalb nichts von meiner Schwärmerei erzählt. Vielleicht war es mir einfach zu peinlich, dass mir dieser Moment so unglaublich viel und ihm offenbar gar nichts bedeutete.
»Hallo«, sagt er drei Minuten später und setzt sich an seinen Platz. Er hat Gel in seinen strubbeligen blonden Haaren und seine Haut hat eine natürliche, dunkle Bräune. Obwohl er eine weite Jeans und ein lockeres T-Shirt trägt, ist sein muskulöser Körper gut zu erkennen. Die Muskeln verdankt er einerseits der Landschaftsgärtnerei seines Vater, in der er den ganzen Sommer geschuftet hat, und andererseits seiner groÃen Leidenschaft: dem Motocrossfahren. Er ist unglaublich gut. Ich könnte ihm den ganzen Tag zuschauen. Sein Geländemotorrad ist knallgelb und jedes Mal wenn er damit in die Luft schieÃt, macht auch mein Herz einen Sprung. Es ist faszinierend, ihn so zu sehen. Eines Tages wird er bestimmt Profi mit einem eigenen Team und echten Sponsoren und was sonst noch dazugehört.
»Hi«, erwidere ich, ohne von meinen Hausaufgaben aufzusehen.
An einem durchschnittlichen Tag wechseln wir mindestens dreiundsiebzig Wörter, sein Arm streift mich siebenmal und sein Knie berührt mich bei mindestens drei Gelegenheiten. Wenn er mich ansieht, grinst er mindestens einmal dabei. Und dieses Grinsen hält mir immer wieder vor Augen, dass wir perfekt zusammenpassen â wenn er nicht schon in einer perfekten Beziehung stecken würde â¦
An einem durchschnittlichen Tag seufze ich innerlich mindestens einmal pro Minute â und etwa sechsmal laut, natürlich unbeabsichtigt. In seiner Gegenwart denke ich besonders oft an Nicole, nur um mir immer wieder bewusst zu machen, warum ich nicht mit ihm flirten darf. AuÃerdem ist sie der einzige Grund, warum er mich überhaupt kennt. Wäre er nicht mit Nicole zusammen, hätte er mir wahrscheinlich nie Beachtung geschenkt. Ironie des Schicksals.
Er beugt sich zu mir rüber. »Warum haben Fischer immer eine Taschenlampe dabei?«
Ich kaue auf meiner Unterlippe und starre nachdenklich vor mich hin. »Keine Ahnung.«
»Damit sie nicht im Trüben fischen müssen.«
Ben und ich teilen den gleichen schrecklichen Sinn für Humor. Wir lieben Witze â je lahmer, desto besser. Und dieser Witz ist mehr als lahm.
»Ich kenne einen besseren. Warum geht eine Apfelsine zum Arzt?«, frage ich.
»Um Vitamin C zu spenden?«
Ich verdrehe die Augen. »Wegen ihrer Orangenhaut.«
Er kichert. »Nicht schlecht. Du hast gewonnen.«
Ich grinse und erwidere seinen Blick. Er sieht so umwerfend aus, dass ich es mit Worten kaum beschreiben kann. »Ihr zwei geht also heute Abend schick essen?«, wechsle ich das Thema.
»Oh ja, das Essen im Anyaâs soll angeblich super sein. Und wir haben einen Tisch mit Blick auf den Hafen. Es wird bestimmt ein netter, lustiger Abend. Nicole war total begeistert.«
»Klingt cool«, sage ich und wende mich wieder meinen Hausaufgaben zu.
»Wirklich? Ich wusste nicht, dass du Geburtstag hast ⦠Wir können jederzeit einen neuen Tisch reservieren â¦Â« Er rückt die silberne Armbanduhr zurecht und streift dabei zum ersten Mal an diesem Tag meinen Arm.
Ich winke ab, als sei das keine groÃe Sache, obwohl ich insgeheim etwas enttäuscht bin, dass Ben nicht wusste, wann ich Geburtstag habe. Seiner ist am 6. März. Vor zwei Jahren habe ich zufällig mitbekommen, wie ihm ein paar Freunde vor der Turnhalle gratuliert haben. »Ist schon okay. Ich habe jedes Jahr Geburtstag, aber dass ihr vor drei Monaten zusammengekommen seid, könnt ihr nur einmal feiern.«
Ich greife unter den Tisch und rubble wieder an den Nähten meiner Netzstrümpfe. Das Kratzen macht mich wahnsinnig! Ich würde lieber eine ganze Ameisenkolonie über meine Beine krabbeln lassen, als es noch eine Minute länger zu ertragen. Entnervt reiÃe ich ein Loch in jeden Strumpf.
Als ich wieder aufsehe, starrt Ben mich mit erhobenen Augenbrauen an. Dann wandert sein Blick unter den Tisch.
Ich grinse verlegen und meine Wangen werden warm. »Tut mir leid, diese Dinger machen mich verrückt.«
Er zuckt die Schultern, rutscht auf seinem Stuhl nach vorn und streckt die langen Beine aus. Sein Knie stöÃt gegen meins. Gleich zweimal. »Ich finde, du siehst ganz schön heià darin aus.«
Oh nein, das findet er
Weitere Kostenlose Bücher