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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Zentrum eines Netzwerks befanden sich die verschiedenen Familienmitglieder, denn an diese wandte man sich zuerst, wenn es darum ging, ein Klientennetz aufzubauen. Aber die Netzwerke waren keine geschlossenen Gesellschaften. Die Familie war in dieser Zeit alles andere als ein intimer Kreis, sondern eher so etwas wie der Mittelpunkt des sozialen Lebens. Deshalb umfassten diese Netzwerke auch regelmäßig viele andere Personen: Freunde, Haushaltsmitglieder, Diener, Nachbarn, Vertraute, Kollegen, Untergebene, Kunden, Schuldner.
    Nicht zuletzt konnten sich diese Patrone mit ihren Netzwerken auch mit anderen Patronen zusammentun und so zwar instabile, aber sehr einflussreiche Machtzentren bilden. So war zum Beispiel die Beschlussfassung im Rat, und damit auch der größte Teil der Beschlussfassung im schwedischen Reich, praktisch in den Händen von sieben Aristokratenfamilien konzentriert, die außerdem durch Heiraten eng miteinander verwoben waren. Es waren die Familien Banér, Bielke und Brahe, Stenbock, De la Gardie, Horn und Oxenstierna. Sie hatten mitbestimmt über die kriegerischen Abenteuer, die seit dem Beginn des Jahrhunderts in Gang gesetzt worden waren, und sie hatten wirklich dabei gewonnen. Das Land in den eroberten Provinzen war in vielen Fällen gerade in ihren Händen oder in denen ihrer Klienten gelandet oder in den Händen einiger anderer Adelsfamilien, die mit im Rat saßen. Dies nannte man Rekompensation.
    Sich einem dieser Ratsherren anzuschließen und sich gut mit ihm zu stellen, war von entscheidender Bedeutung für alle, die im schwedischen Staat Karriere machen wollten, wie beispielsweise Gerhardt Rehnskiöld. Erik hatte deshalb Geschenke mitgebracht, die er einigen hochgestellten Personen überreichen sollte. Wir sollten dies nicht als Bestechung auffassen – obwohl diese sicher vorkam –, sondern als Zeichen der Loyalität, die Rehnskiöld ihnen gegenüber empfand.
    Einer derer, denen Erik seine Aufwartung machte, war Graf Per Brahe. Er war ein Mann von etwas über vierzig, mit engstehenden Augen, gerader, ausgeprägter Nase, schmalem Schnurrbart und einem kleinen, leicht vorgeschobenen Kinn. Brahe war Schwedens größter Grundbesitzer und einer der erklärtesten Aristokraten des Reiches: starrköpfig, streng konservativ und vollgestopft mit standesegoistischen Ideen vom Recht des Adels (mehr als beispielsweise der Realpolitiker Axel Oxenstierna, der seinem Klassendünkel zum Trotz oft bereit war, Kompromisse einzugehen, wenn es notwendig war; die beiden Männer waren auch im Rat Gegner). So hegte dieser geizige Mann zum Beispiel eine große Skepsis gegenüber Handel und anderem Kommerz. Nur der Boden war etwas wert. Außerdem war er ein überzeugter Anhänger einer Ständeordnung mit eindeutigen Unterschieden zwischen den Menschen, denn, so sagte er, man wisse ja, wie wichtig es sei, «Stände im Reich zu haben, welche machen, daß nicht alle wie Schweinshaxen sind, sondern sich der eine dadurch über den anderen erhebt». Unbekannte Menschen verneigten sich tief hinunter aufs Straßenpflaster, wenn er in seiner Kutsche vorüberrasselte.
    Aber wiewohl Per Brahe zur Genüge alle schwer erträglichen Untugenden des typischen Aristokraten aufwies, so hatte er doch auch mehrere von dessen Tugenden. Dass seine Kenntnisse, sein Fleiß und seine Gesetzestreue ihn zu einem guten Beamten machten, hatte er in den Jahren 1637 bis 1641 als Gouverneur in Finnland bewiesen; dort war er durchs Land gereist, hatte gesichtet und gerichtet und unter anderem eine Universität in Åbo gegründet, das Postwesen geordnet und den Zoll reformiert. Und wie so viele andere Vertreter seiner Klasse meinte er, für seine gehobene Position irgendwie mit Tatkraft und persönlichem Mut bezahlen zu sollen. In seiner Jugend hatte er zusammen mit Gustav Adolf gekämpft und den verwundeten König persönlich aus dem Kampf am Danziger Haupt 1627 geführt, nachdem ihr Ruderboot von polnischem Feuer getroffen worden war. Und obgleich die zivilen Tätigkeiten fast seine ganze Arbeitskraft in Anspruch nahmen, hatte er während des letzten Kriegs gegen Dänemark immer noch Zeit gefunden, in Småland Truppen aufzustellen und an einem kleinen, unbedeutenden Gefecht teilzunehmen.
    Erik Jönsson überbrachte Per Brahe «ein vortrefflich schönes Pferd», wie es im Tagebuch heißt, und seine Ehefrau bekam einen großen Spiegel. Der andere Mann, den Erik aufsuchte, war Reichskanzler Axel Oxenstierna höchstpersönlich. Er bekam einen Hengst

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