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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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dass der andere
zu
erfolgreich war. Dies sollte beiden Seiten auf peinliche Weise klarwerden, bevor der Sommer vorüber war.
    Die langen Kolonnen von Männern, Pferden und Wagen des schwedischen Heeres krochen im Frühjahrsregen nach Nordwesten zur Weser. Man wollte sich vor der erwarteten Vereinigung näher zu den Franzosen hinbewegen und den hessischen Verbündeten helfen, die durch ein kleineres kaiserliches Korps in der Gegend von Paderborn in Unruhe versetzt wurden. Aber die Hessen, allen voran die Landgräfin Amalia Elisabeth, erbleichten vor Schreck bei dem Gedanken, dass ihnen von 20 000 hungrigen und diebischen schwedischen Kriegern «Hilfe» zuteil werden sollte. Sie riet deshalb auf das bestimmteste von einem schwedischen Einmarsch in ihr Land ab, da sie mit gutem Grund annahm, dass die Schweden auch die kaiserliche Hauptarmee anlocken würden, worauf das Ganze in einer allgemeinen Verwüstung enden würde. Doch Wrangels Truppen überquerten mit einiger Mühe die vom Frühjahrshochwasser angeschwollene Weser und begannen, Höxter zu belagern, das von einer kleineren feindlichen Abteilung gehalten wurde. Gleichzeitig erging ein Befehl an Königsmarck, dessen Korps im Norden stand, sich unverzüglich mit seinen Truppen zur Hauptarmee zu verfügen. Sobald sie sich vereinigt hätten, wäre das schwedische Heer so stark, dass Wrangel die Frühjahrsoperationen ernsthaft in Angriff nehmen könnte. Am 21 . April waren fünf Batterien bei Höxter fertig gestellt, und die Beschießung wurde sogleich eingeleitet. Am 25 . gaben die Verteidiger auf. Größere Teile der Stadtmauer waren inzwischen von schwedischen Geschossen zernagt, und der Wallgraben war angefüllt mit einem unüberschaubaren Wirrwarr von gesprengtem Gestein. Da weder von der französischen Armee noch von Königsmarck etwas verlautete, beschloss Wrangel, auch das nahegelegene Paderborn zu belagern, das am 5 . Mai nach einem kurzen Bombardement mit Mörsern und Kanonen fiel. (Wie bei Höxter wurden die gefangenen kaiserlichen Soldaten schnell in die schwedische Armee gesteckt.) Aber wo blieben die Franzosen? Und wo blieb Königsmarck?
    Es zeigte sich, dass der eigensinnige und reizbare Königsmarck im Norden einen eigenen kleinen Feldzug eingeleitet hatte. Deshalb hatte er auch Wrangels immer dringlicher wiederholten Befehl, zu ihm zu stoßen, mehr oder weniger ignoriert. Zuerst belagerte er gegen Wrangels ausdrücklichen Rat Vechta – der Grund dafür dürfte teilweise persönliches Gewinnstreben gewesen sein: Alle befestigten Orte waren seit langem überfüllt mit Flüchtlingen, und es reizte das, was diese an Wertsachen hatten; gleichzeitig war das Land mit der Fortdauer des Krieges immer leerer und einer Wüste gleich und damit für einen gewohnheitsmäßigen Plünderer wie Königsmarck uninteressant geworden. Nach einem direkten Rüffel von Wrangel gab er «blutenden Herzens» am 13 . Mai die Belagerung auf. Obwohl es Befehle hagelte, sich zu beeilen, ließ sich der verärgerte Königsmarck dennoch nicht hetzen, sondern trabte mit majestätischer Langsamkeit gen Süden, und als die Stadt Lemgo in seinem Blickfeld auftauchte, begann er mehr aus Instinkt als aus Überlegung, sie zu belagern. Während sich die wütende Kurierpost langsam zu einem Haufen stapelte, wurde Lemgo eingenommen, doch der Erfolg steigerte nur Königsmarcks Appetit, und er warf sich entgegen einem ausdrücklichen Befehl über die kleine Festung Pyrmont. Weiter nach Süden ging er nicht.
    Jetzt gab Wrangel das Warten auf. Diejenigen, die gemeint hatten, dass er zu unsicher sei und über zu wenig Autorität verfüge, um die schlimmsten Freibeuter des Heeres zu bändigen, hatten recht bekommen. Woche auf Woche war verstrichen, während Wrangel mit allen Mitteln vergeblich versucht hatte, einen Untergebenen zu veranlassen, zu ihm zu stoßen. Und auch die Franzosen hatten sich nicht eingefunden. Der französische Oberbefehlshaber Turenne hatte versprochen, am 14 . Mai am Rhein bereitzustehen, doch das Datum war verstrichen, ohne dass man auch nur eine Pikenspitze von seinen Truppen zu Gesicht bekommen hätte. Um die Verhandlungen mit den Bayern nicht zu stören und um zu verhindern, dass Schweden allzu stark würde, hatten die Regierenden in Paris Turenne praktisch den direkten Befehl erteilt, um jeden Preis der Vereinigung mit den Schweden aus dem Weg zu gehen. In einem etwas heimtückischen Versuch, die Verhandlungen mit den Bayern zu beleben, hatte der berechnende Mazarin

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