Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)
zu diesem Zeitpunkt so aussah, als würde er mit einer – gelinde gesagt – sensationellen Niederlage der Letzteren enden. Und der große Krieg in Deutschland, der in der Mitte der zwanziger Jahre des 17 . Jahrhunderts vorwiegend aus unbehaglichen, aber doch recht lokalen Unwettern bestanden hatte, war nun zum größten, grauenvollsten und zerstörerischsten Krieg angewachsen, den man je gesehen hatte, einem ungeheuren Abgrund von Elend mitten im Herzen Europas: Völker, die wanderten, Armeen, die marschierten, und Reiche, die zerfielen.
Als die verschiedenen Heere in Deutschland im Frühjahr 1646 die Wintermüdigkeit abzuschütteln begannen, waren sie alle in den westlichen Teilen des deutschen Reiches versammelt. Die Aufmerksamkeit der Franzosen und Schweden richtete sich nun also auf Bayern, das sie, wie beschlossen, aus dem Krieg ausschalten wollten. Und als die schwedische Armee im April aufbrach, leitete sie damit eine Kampagne ein, die zu einer der absonderlichsten in der langen Geschichte des Krieges werden sollte.
Das Frühjahr 1646 war kalt, nass und regnerisch, und die Wege waren wie üblich in einem miserablen Zustand. Die kaiserliche Armee befand sich südlich der schwedischen und machte zunächst keine Anstalten, auf die Bewegung ihrer Gegner zu reagieren. Die Armee des Kaisers befand sich nämlich in einer erbärmlichen Verfassung. Das Fußvolk war durch Krankheiten, Hunger und Desertionen auf die Hälfte zusammengeschmolzen, die Quartiere waren schlecht, überall fehlte es an Ausrüstung, und der Geldmangel war ebenfalls akut; bei den Soldaten machten sich Anzeichen von Meuterei bemerkbar, und sie liefen in Scharen davon; die höheren Offiziere wanderten mit saurer Miene umher und verweigerten nicht selten offen den Gehorsam. Der kaiserliche Befehlshaber, Erzherzog Leopold Wilhelm – jener astrologisch interessierte Mann, der 1642 die Schlacht bei Leipzig gegen Torstensson verloren hatte –, war ansonsten unerschrocken und entschlossen, doch jetzt überkamen ihn Missmut und nachtschwarzer Pessimismus. Er ahnte eine bevorstehende Katastrophe. Der Kaiser kontrollierte mehrere Festungen im westlichen Deutschland und besonders in Westfalen, aber Leopold Wilhelm wollte alles stehen-und liegenlassen und mit der Armee in die Erblande retirieren.
Sauve qui peut.
Vielleicht war es das Beste, sich dem Feind auf Gnade und Ungnade zu ergeben?
Leopold Wilhelm hatte nämlich aus sicherer Quelle erfahren, dass die Bayern unter der Hand mit den Franzosen verhandelten; es deutete auch einiges darauf hin, dass sie die Absicht hatten, ihren Platz zur Rechten des Kaisers zu verlassen. Bayerns Herrscher Maximilian war viel zu sehr Realpolitiker, um sich an Bord eines sinkenden Schiffes festhalten zu lassen. Deshalb hatten auch seine Gesandten in Münster gegenüber den Franzosen durchblicken lassen, er sei unter bestimmten Bedingungen zu einem Separatfrieden bereit, während er gleichzeitig den Kaiser zu überreden versuchte, sich den verschiedenen französischen Forderungen zu beugen. Und die Regierenden in Paris mit dem intrigenerfahrenen Kardinal Mazarin an der Spitze, die schon seit langem mit dem Gedanken gespielt hatten, das reiche Bayern aus dem habsburgischen Lager herauszulösen, waren natürlich hocherfreut über diese neue Perspektive und begannen sogleich, an Fäden zu ziehen und in Ohren zu kneifen, um diesen Separatfrieden zustande zu bringen. Noch ein weiteres Motiv lenkte das Handeln der französischen Regierung im Frühjahr 1646 : ihre Furcht vor Schweden. Der ungeheure Triumph bei Jankau hatte dem Kaiser und seinen Freunden einen gewaltigen Schrecken eingejagt, und die weiteren schwedischen Erfolge erschreckten auch einen nicht unbedeutenden Teil seiner Feinde. In Paris fürchtete man ganz einfach, dass die Schweden nun die Führung in dem Krieg in Deutschland übernehmen, Bayern besiegen, den katholischen Glauben zurückdrängen, ihre eigene und die Macht der Protestanten vermehren und Frankreich in den Schatten stellen würden. Daher wollten die Franzosen am liebsten keine weiteren schwedischen Erfolge mehr sehen, zumindest so lange nicht, wie Mazarin
et consortes
eine Möglichkeit sahen, Bayern mit friedlichen Mitteln auf ihre Seite zu ziehen. Dies ist wiederum ein Beispiel für die reichlich absurden Mechanismen, die diesen Krieg so quälend in die Länge zogen, nämlich dass auch Verbündete eine nicht geringe Bereitschaft an den Tag legten, einander ein Bein zu stellen, wenn sie meinten,
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