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Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition)

Titel: Verwüstung: Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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einige eigene Fähnlein verloren. Soldaten durchwühlten die Reihen von zusammengefahrenen Rüstwagen und Karren, die die Kaiserlichen in den Straßen zurückgelassen hatten, und rafften «Silbergeschirr, Juwelen, Gold, Geld und Kleider» an sich, andere drangen in die Häuser der Bürger und in Kaufmannsläden ein und nahmen, was ihnen in die Hände fiel. Am Morgen bot die Stadt einen grausigen Anblick. Gefallene Soldaten lagen überall, und in einigen schmalen Gassen, in denen die Fliehenden gefangen worden waren, wurde der Weg von wirren Haufen steifer und verstümmelter Leichen versperrt. Es dauerte sechs Tage, bis alle Toten begraben waren, «und zum Schluß wurden sie haufenweise in den großen Graben geworfen, mehr als hundert in jedes Grab».
    Der schwedische Marsch nach Süden war ein Glied in einer Reihe von Versuchen, das belagerte Magdeburg zu entsetzen, das knapp 200 Kilometer westlich von Frankfurt an der Oder lag. Die Schweden kamen jedoch zu spät. Zu einem Teil kann dies dem realpolitisch veranlagten Gustav Adolf angelastet werden, der die gefährdete Lage Magdeburgs in seinen Verhandlungen mit einigen protestantischen Potentaten als Druckmittel benutzte. Außerdem wurden die Operationen der Armee durch die übliche Geldknappheit verzögert. Die Hauptverantwortlichen aber waren die beiden zuvor bereits genannten Fürsten, Johann Georg von Sachsen und Georg Wilhelm von Brandenburg, die nach wie vor ablehnten, zauderten, hinhielten und verhinderten. Johann Georg war damals in mittleren Jahren und eine Art Schlüsselfigur: klug, ehrlich und ein aufrichtiger Friedensfreund, aber leider auch wankelmütig, schwach und zur Völlerei neigend. (Besonders diese letztere Eigenschaft machte ihn zu einem Albtraum für die Diplomaten. Während seiner bis zu sieben Stunden dauernden Mahlzeiten pflegte er stumm wie ein Fisch enorme Mengen Bier in sich hineinzuschütten. Als echter deutscher Landjunker – er verstand kein Wort Französisch, schnitt seinen Bart altmodisch kurz und trug schlichte Kleider – war er nicht besonders interessiert an gelehrten Tischgesprächen und begnügte sich bei diesen Gelegenheiten damit, dann und wann seinen Hofzwerg zu ohrfeigen und in regelmäßigen Abständen den Bodensatz in seinem Bierseidel über den Kopf eines Dieners auszuleeren als Zeichen, dass er nachgeschenkt haben wollte.) Seine Hauptinteressen waren das Wohlergehen Sachsens, die Einheit Deutschlands sowie die Jagd – doch nicht notwendigerweise in dieser Reihenfolge; während der wichtigen Verhandlungen des Frühjahrs hatte er viel wertvolle Zeit damit vergeudet, im Wald dem Wild aufzulauern; später prahlte er damit, in seinem Leben mehr als 150 000 Tiere persönlich erlegt zu haben. Schließlich, nachdem er wie üblich eine Weile unschlüssig geschwankt hatte, ließ er den Schweden mitteilen, dass ihnen nicht erlaubt werden könne, bei ihren Versuchen, Magdeburg zu entsetzen, sächsischen Boden zu überqueren. Zu diesem Zeitpunkt war Gustav Adolf indessen schon einmarschiert. Und schwedische Kavalleriepatrouillen standen weniger als 40 Kilometer vor Magdeburg, als die fürchterliche Nachricht sie erreichte.
    Nach einer langen, mühsamen Belagerung hatte Tilly seine Leute zum direkten Angriff auf die Stadt losgelassen. Drei Stunden hatte es gedauert, dann waren die unterlegenen Verteidiger auf den Mauern überwältigt. Da kam es zur Katastrophe. Tillys Soldaten, rasend und ausgehungert nach allen Entbehrungen, die sie während der Belagerungsarbeiten ertragen hatten, begannen, Amok zu laufen. In wilder Wut schlugen sie alle nieder, auf die sie stießen, inklusive ein Kontingent der kaisertreuen Bevölkerung der Stadt, das freudig hinausgelaufen war, um seine Befreier zu begrüßen. Einige Bürger versuchten zu entkommen, indem sie das uralte Asylrecht in Anspruch nahmen und sich in einer der Kirchen einschlossen, aber sie wurden
en masse
verbrannt, nachdem die Soldaten die Türen vernagelt und Fackeln durch die Fenster geworfen hatten. Die immer wieder gleichen Geschichten erzählen von einer blinden Woge von Mord und Gewalt: betrunkene Soldaten, die auf alles und alle losgehen, Hiebe und Schläge; Leichen in den Straßen, nackt, ohne Köpfe, zerstückelt; Massenvergewaltigungen; ganze Familien, die wahnsinnig vor Angst Selbstmord begehen; Frauen, die in ihrer Verzweiflung Steine auf Soldaten werfen, die in ihre Häuser einzudringen versuchen; Kinder, die hilflos und schreiend umherirren, Kinder, die hinter den

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