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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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einer langen und qualvollen Belagerung kapituliert hatte. (Die ausgehungerten Menschen in der Stadt versuchten, von Katzen und Hunden, weich gekochtem Leder und warmem Wasser mit Salz zu leben. Gegen Ende gab es auch mehrere Fälle von Kannibalismus, unter anderem wurden sieben gefangene schwedische Soldaten aufgegessen.) Nach dem Fall Breisachs erklärte Bernhard mit großspurigen Gesten, dass die Stadt und das Elsass von nun an als sein Fürstentum anzusehen seien, und erneut fand er den Gedanken an eine weitergehende Offensive in Süddeutschland äußerst unpraktisch – ungeachtet dessen, dass Banér und Richelieu ihn mit einer neuen Flut erboster Aufforderungen überschütteten.
    Dies waren wahrhaft schlechte Nachrichten für Banér. Nicht nur drohte die Unterstützung durch Bernhard auszubleiben; wenn dessen Heer weiterhin in sorgloser Meditationsstellung verharrte, wuchs das Risiko, dass das kaiserliche Korps, das ihm dort unten gegenüberstand, abgezogen und gegen die Schweden in Marsch gesetzt wurde. Dennoch entschied sich Banér dafür, weiter vorzurücken. Erfurt wurde planmäßig entsetzt, aber dann vollführte die schwedische Armee Ende Februar 1639 eine jähe Wendung und galoppierte in östlicher Richtung davon, direkt in den südlichen Teil von Sachsen. Zwickau und Chemnitz wurden besetzt und mit ihnen auch einige wichtige Grenzpässe, von denen man die Wege in das nahegelegene Böhmen kontrollierte. Danach kam die Reihe an Freiberg. Die Stadt war wichtiger, als sie zunächst erschien, denn sie hatte große Silbergruben und war die letzte Festung vor Dresden.
    Die kreisförmig angelegte Stadt hatte altertümliche Befestigungen – eine einfache, mit viereckigen Türmen geschmückte, senkrechte Ringmauer –, die außerdem in schlecht erhaltenem Zustand und nur schwach bemannt waren. Banér war überzeugt, dass es eine leichte Angelegenheit würde. Doch er hatte sich verrechnet. Die Besatzung war stärker als erwartet, und außerdem stellten sich die Bürger und die Bergleute zahlreich zur Verteidigung der Stadt zur Verfügung und bereiteten den belagernden Schweden durch häufige Ausfälle Schwierigkeiten. Die Belagerungsarbeiten gingen auch nur schleppend voran, weil es schwer war, in dem gefrorenen Boden Laufgräben auszuheben, und das Kaliber der verfügbaren Artillerie reichte nicht aus, um eine ordentliche Bresche in die Mauer zu schießen. Banér wurde immer wütender und drohte, alle in der Stadt zu töten, wenn sie sich nicht sofort ergäben. Wie bei Belagerungen üblich, überschütteten beide Seiten einander mit Beschimpfungen. Als Banér begriff, dass ein großer Teil des Spotts aus der Stadt gegen ihn persönlich gerichtet war, stieg ihm die Zornesröte ins Gesicht, und er forderte den gegnerischen Kommandanten, einen unerschrockenen Mann namens von Haugwitz, auf, seinen Leuten auf der Stelle zu verbieten, ihn zu verhöhnen, andernfalls werde er die Gruben und die Wasserversorgung der Stadt zerstören. Haugwitz sagte nein.
    Nachdem Banér Nachricht bekommen hatte, dass kaiserliche und sächsische Streitkräfte von Prag auf dem Weg waren – das 120 Kilometer Luftlinie südöstlich von Freiberg lag –, sah er ein, dass die einzige Chance in einem Sturm auf die Stadt bestand. Gegen zehn Uhr am 18 . März drangen die schwedischen Sturmkolonnen in der Kälte gegen die von Schüssen beschädigten Mauern vor: rund 1000 Mann, ihre Reihen gekrönt von weißen, roten, blauen und gelben Fahnen; an der Spitze wurden 15 lange Leitern und anderes Sturmwerkzeug getragen. Sie strömten hinunter in die Wallgräben. Die schwankenden Leitern schlugen nacheinander an die Mauer an, die Männer bestiegen sie sofort und kletterten in Trauben zu den merkwürdig stillen Mauerwällen hinauf. Plötzlich schwärmten Musketiere, die in Deckung geblieben waren, um dem schwedischen Sturmfeuer zu entgehen, zu den Zinnen und feuerten Salve auf Salve auf die Kletternden ab. Die Männer auf den Leitern wurden getroffen, schwankten und fielen, einem Augenzeugen zufolge, wie «lahme Spatzen». Im Fallen rissen sie alle, die unter ihnen auf den Leitern standen, mit. Kleine, schnell wachsende Bündel zappelnder Männer purzelten durch die Luft hinab und schlugen auf dem hart gefrorenen Boden auf – einer von denen, die zuerst getroffen wurden, war der Chef der Sturmkolonnen, der erfahrene Oberst Magnus Hansson, dem eine Musketenkugel hinter dem Ohr in den Kopf drang. Dennoch gelang es einer kleineren Anzahl von Soldaten, sich

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