Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
starten und sein Heer aus dem Land zu führen, nach Süden. Seine Absicht war, den Krieg so weit wie möglich in das Gebiet des Gegners hineinzutragen, am besten bis nach Österreich, in das Erbland des Kaisers. Damit wurde eine versorgungstechnische Variante des Spiels «Die Reise nach Jerusalem» eingeleitet, das bis zum Ende des Krieges weitergehen sollte und bei dem beide Seiten versuchten, sich auf den Platz des Gegners zu setzen, während sie gleichzeitig bestrebt waren, ihn von ihrem eigenen fernzuhalten.
Ein Tross auf dem Marsch. Der Tross der schwedischen Armee im Sommer 1638 . So sah es aus: gedeckte Wagen, Trossknechte, Vieh und Viehtreiber. Man beachte den Hahn auf einem der Wagen.
Einen großen Teil des Sommers lag das schwedische Heer still und führte nur ein paar kleinere Angriffe durch. Die Ursache war, dass der inkompetente Gallas mit unfehlbarer Präzision seine Armee wieder einmal in eine versorgungstechnische Klemme geführt hatte. Und da die schwedische Armee leidlich über das Meer versorgt wurde, konnte sie folglich stillstehen und aus der Distanz zusehen, wie das kaiserliche Heer langsam verhungerte. Ende September gab Banér den Befehl zum Aufbruch – die Soldaten waren gerade ausgezahlt und zufrieden, die Artillerie blank geputzt und einsatzbereit, und die Wagen voll beladen mit Faschinen zur Ausbesserung der aufgeweichten Herbstwege. Er wollte dem geschwächten kaiserlichen Heer auf den Leib rücken. Die Nachricht vom Aufbruch der schwedischen Armee ließ Gallas jedoch aus seinem milden Dämmerzustand erwachen und Hals über Kopf die Hungerlager an der pommerschen Grenze verlassen. Seine Truppen verschwanden in einem weiteren fluchtartigen Rückzug nach Südwesten. Obwohl die Kaiserlichen schon ein Stück weit entfernt waren, ließ Banér sein Heer die Verfolgung aufnehmen. Seine Truppen bewegten sich mit der gewohnten Schnelligkeit und holten langsam den Vorsprung des Gegners auf. Dass sie auf der richtigen Spur waren, war ihnen klar, denn überall in den Herbstwäldern, auf den lehmigen Wegen und in den leeren Häusern fanden sie Leichen ausgemergelter Soldaten und Kranke, die von den Retirierenden zurückgelassen worden waren. Und an den Abenden konnten die berittenen schwedischen Spähtrupps die Lagerfeuer der Feinde in der Ferne leuchten sehen.
Das Problem war allerdings, dass diese Jagd nach den Kaiserlichen in gewisser Weise eine spiegelverkehrte Kopie des Angriffs von Gallas in Pommern im Jahr zuvor war, also der Sprung in ein völlig verwüstetes Land. Erneut wurde die Regel bestätigt, dass es keine bessere Verteidigung gibt als ein gründlich ausgesaugtes Territorium. Das schwedische Heer begann mindestens ebenso unter den Strapazen zu leiden wie sein flüchtender Feind. Die västgötische Reiterei, die vor ein paar Monaten noch über 649 kampftaugliche Männer verfügte, verlor während dieser Operation 300 Mann; und die neu angekommenen uppländischen und östgötischen Reiter waren den Gewaltmärschen überhaupt nicht gewachsen und zählten nach einiger Zeit nur noch 40 Mann im Glied. Zu allem Überfluss wütete eine schwere Epidemie unter den Pferden. Die Artillerie verlor einen großen Teil ihrer Gespanne, und die Soldaten waren gezwungen, die Kanonen selbst zu ziehen. Zahlreiche Reiter stolperten zu Fuß mit Sattel und Zaumzeug auf dem Rücken durch den Schlamm.
Häufig im 17 . Jahrhundert, wenn der Druck von außen zu stark und die Wirklichkeit für die Menschen zu quälend und unerträglich wurde, flackerten Epidemien von Hexenwahn auf. Es war eine Zeit, in der Magie eine Realität und die Existenz des Teufels in der Welt ein festes Dogma war, und die Angst vor der Hexe – in männlicher oder weiblicher Gestalt – war ein fast unausweichlicher Faktor des alltäglichen Lebens: All das Böse wurde erklärt und in gewisser Weise auch handhabbar dadurch, dass die Verantwortung für schwer erklärbare Unglücksfälle und Rückschläge verschiedenen Sündenböcken aufgeladen wurde. In den Dörfern und in Stadtvierteln fanden bisweilen langwierige Kampagnen magischer Kriegführung zwischen Einzelnen und Familien statt, die einander in die Haare geraten waren. Das meiste war ungefährlich und resultierte, wenn es hochkam, in boshaftem Klatsch, gehässigem Fingerzeigen und sozialer Ausgrenzung. Aber jetzt begannen Krieg, Epidemien und soziale und politische Unruhe die Gesellschaft zu überfordern, und ein neues Gefühl von Zukunftsangst übermannte die Menschen, mit der
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