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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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über die Mauerbrüstung zu schwingen, aber dort stürmten sogleich von allen Seiten Bergleute auf sie ein; alle schwedischen Soldaten bis auf fünf starben in einem dichten Hagel von Stichen und Schlägen von Keulen, Piken und Morgensternen.
    Der Sturm war zu Ende. Er war blutig gescheitert. Über die Hälfte der Angreifer waren getötet worden oder verwundet. Unten im Graben und unter der Mauer lagen Leichen und Verwundete in unförmigen Haufen. Im Triumph zerschlugen die Verteidiger zuerst die Sturmleitern, dann plünderten sie die Verwundeten, nahmen ihnen die Kleider und ließen sie nackt und blutend in der beißenden Kälte liegen. Am nächsten Morgen waren alle verwundeten Schweden stumm und tot, die Haufen von Körpern zu einem Wirrwarr von froststarren Gliedern verwandelt und die Haarschöpfe im Schlamm festgefroren. Als einige der Verteidiger der Stadt aus irgendeinem Anlass begannen, den Leichen mit Äxten die Köpfe abzuschlagen, waren diese so hart gefroren, dass es nicht gelang.
    Zwei Tage später zogen die Schweden von Freiberg ab, «diesem elenden Rattennest», wie der wutschnaubende Banér die Stadt nannte. Er war nunmehr gezwungen, sich gegen die kaiserlichen und sächsischen Truppen zu wenden, die von zwei verschiedenen Seiten anrückten. Mit seiner gewohnten Schnelligkeit warf er seine Truppen im Eilmarsch direkt dem einen feindlichen Korps entgegen, das am 4 . April vor Chemnitz überrumpelt wurde. Der Ritt war so strapaziös, dass man am Ende schwedische Kavalleristen aus reiner Erschöpfung vom Rücken der Pferde sinken sah, aber dennoch gelang es ihnen, ihre kürassenbekleideten Gegner in einer wirren Folge von Kurzgefechten in dem schmalen Terrain zwischen ein paar Sümpfen und Teichen zu überrennen. Banérs Truppen hatten Glück, denn der Hauptteil der feindlichen Streitmacht verschwand ohne einen Schuss in Panik vom Kampfplatz und ließ Tross, sechs Kanonen, Massen von Munition und Proviant sowie die Kanzlei der Generalität zurück – der Besitzer der Kanzlei, der sächsische Feldmarschall Morzin, brachte sich verwundet in Sicherheit, fand sich jedoch binnen kurzem eingekerkert als Staatsgefangener im Prager Schloss, unter der Anklage unzulässiger Schlafmützigkeit in seiner Befehlsführung.
    Im Vorsommer 1639 marschierte die schwedische Armee in Böhmen ein, das fünf Jahre lang vom Krieg nicht berührt worden war. Banér ließ ein stolzes Manifest ausfertigen, worin er erklärte, er komme «als Freund, um dem böhmischen Königreich gegen päpstliche Unterdrückung zu helfen». Am 20 . Mai erreichte das Heer Prag, die große, schöne und reiche Residenzstadt des Kaisers. Die Lage hatte sich binnen eines halben Jahres umgekehrt. Im Winter hatte die schwedische Armee noch mit dem Rücken an der Ostseeküste gestanden, nun stand sie vor den Toren Prags.
    Banérs Heer war bereits gefürchtet aufgrund der Schnelligkeit, mit der es sich bewegte. Die Schnelligkeit war jedoch mit dem Nachteil erkauft, dass die Armee nicht in der Lage war, größere Festungen einzunehmen. Dafür wurde in der Regel eine besondere Belagerungsartillerie benötigt: schwere Kanonen, Haubitzen und Mörser. Solche Geschütze waren schwer beweglich. Allein die Rohre der gröbsten Kartaunen konnten bis zu zwei Tonnen wiegen, weshalb sie nie auf ihren Lafetten bewegt wurden. Stattdessen wurden sie auf vierrädrigen Blockwagen gefahren, von denen sie mit Hilfe eines besonderen Krans auf die Lafetten gehoben wurden, wenn es zur Schlacht kam. Und wenn man diese Geschütze überhaupt transportieren wollte, brauchte man große Gespanne; für ein 24 -pfündiges Geschütz waren 24 Pferde erforderlich. (Die Gespanne wurden von Zivilisten geführt, die mit ihren Pferden für jeweils einen Feldzug angeheuert wurden.) Außerdem bedurfte es für jedes grobe Geschütz einer aufwendigen Zusatzausrüstung wie Pulverkarren, Kugelwagen, Kräne, Reservelafetten, Winschen, Extraräder und mehrere hundert Werkzeuge (Äxte, Spaten und Hacken) sowie einer großen Mannschaft. Viele Männer waren nötig, um diese plumpen Geschütze auf den schmalen und schlechten Wegen vorwärtszubewegen. Zusätzliche Leute mussten die ganze Zeit nebenhergehen, um einspringen zu können, um die Geschütze zu schieben oder ganz einfach die kümmerliche Andeutung eines Wegs zu verbreitern, auf der sie sich vorwärtsquälten. (Es ergibt sich von selbst, dass die schwere Artillerie häufig mit ausgeklügelter Langsamkeit bewegt wurde. Wenn irgend möglich,

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