Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
watete. Um die Truppen in der Zitadelle zur Aufgabe zu zwingen, leitete man mit großer Mühe ihre Wasserversorgung um, doch es zeigte sich, dass sie durch einen sinnreichen unterirdischen Gang mehr als gut versorgt waren. Man hoffte auch, de Souches könnte aufgrund von Munitionsmangel zur Aufgabe gezwungen sein, aber gegen neun Uhr am Abend des 15 . Juni gelang es einer kaiserlichen Kolonne von mehreren hundert pulverbeladenen Pferden und Reitern, sich überraschend an den vorgeschobenen schwedischen Wachen vorbeizukämpfen und sich und ihre Last in die Festung zu werfen. Einige aufgeputzte transsilvanische Truppen schlossen sich zwar den Belagerern an, von einem realpolitisch begabten Fürst Georg entsandt, der dadurch französische Subsidien einkassieren konnte – während er gleichzeitig mit dem Kaiser weiterverhandelte –, aber sie waren widerspenstig, undiszipliniert und untauglich und stellten im Allgemeinen für ihre eigenen Offiziere eine größere Gefahr dar als für den Feind. Torstensson selbst wurde von schweren rheumatischen Schmerzen geplagt und hatte deshalb Schwierigkeiten, die Operationen zu leiten. Und so weiter.
Verwundete schwedische Soldaten nach einem gescheiterten Sturm
Mitte August versuchten die Schweden eine Erstürmung, doch auch die scheiterte. Es war ihnen gelungen, zwei Breschen in den Festungswall auf der Nordseite der Stadt zu schlagen, und nach einem wahnsinnigen vorbereitenden Beschuss wurde diese von einer Sturmkolonne angegriffen. Auf der rauchumhüllten Mauerkrone spielten die Verteidiger auf Dudelsäcken, Pauken und Trompeten. Die Sturmtruppen wurden mit Handgranaten empfangen, und der Angriff strandete in dem Durcheinander von zusammengestürzten Mauerteilen und Sprengsteinen. Aufgrund eines gründlich missverstandenen Befehls gingen schwedische Truppen auch gegen die andere, danebenliegende Bresche vor; wohlgezieltes Feuer von den Bürgern und Studenten oben auf der Mauer schlug ihnen entgegen, und als sie schließlich am Ziel waren, entdeckten sie, dass jedes Weiterkommen unmöglich war, und sie mussten durch pfeifende Kugelschwärme zurückrennen. Später am Abend gaben die Verteidiger die Leichen der innerhalb der Mauern gefallenen schwedischen Offiziere heraus; die Körper waren gewaschen, in reine Hemden gekleidet und in neue Särge gelegt.
Edelmütige Gesten dieser Art kamen immer vor in den Kriegen dieser Epoche, aber de Souches und die anderen in Brünn konnten sie sich auch leisten, denn alles lief zu ihrem Vorteil. Kurze Zeit nach der missglückten Erstürmung schloss Georg von Transsilvanien Frieden mit dem Kaiser. Durch diesen Friedensschluss wurde unter anderem die Glaubensfreiheit in seinem Land wiederhergestellt, und der Kaiser machte große territoriale Zugeständnisse. Für einen Fürsten, der so gut wie keine eigenen Machtmittel besaß, hatte Georg ungewöhnlich gut abgeschnitten. Die schwedische Armee hatte schwer unter dem Abnutzungskrieg auf den weinbewachsenen Hügeln rund um Brünn gelitten – einige Hinweise lassen vermuten, dass bis zu 8000 Mann aus den Reihen verschwunden waren, die meisten sicher durch Desertion oder Krankheiten –, und man konnte nicht mehr mit Unterstützung durch Fürst Georgs Truppen rechnen. Ein schwedischer Offizier, der bei dem Sturm am 15 . August durch eine Handgranate schwer an der Seite verwundet worden war und deshalb weder liegen noch stehen konnte, schrieb resigniert an seinen Bruder zu Hause:
Nunmehr ist unsere Infanterie kaputt, die Kavallerie ist mißmutig, die Offiziere leiden Mangel an Proviant und die einfachen Reiter an Brot und Futter. Die Stadt kann nicht eingenommen und gewonnen werden. Vom Spielberg mag ich gar nicht schreiben.
Ein niedergeschlagener und erboster Torstensson gab in dieser Lage den Befehl, die Belagerung abzubrechen. Als letzten Abschiedsgruß ließen die Schweden die Orte in Brünns nächster Umgebung in schmutzig schwarzen Rauch aufgehen, worauf sie wieder nach Wien marschierten, ein wenig die Vororte der Stadt beschossen, doch – kaum verwunderlich – alle Übergänge über die Donau noch stärker befestigt und noch unzugänglicher vorfanden als im Frühjahr. Was sollte man als Nächstes tun? Wieder gaben rein versorgungstechnische Gründe den Ausschlag. Da das Land nun gründlich ausgesaugt war und außerdem die Pest unter den Truppen wütete – die Seuche war von den transsilvanischen Hilfstruppen in die schwedische Armee eingeschleppt worden und war das einzige richtig
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