Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Ostseeküste darstellte. Die hochgelegene Zitadelle der Stadt, der graugelbe Spielberg, wurde als ungewöhnlich stark eingeschätzt, doch andererseits waren die Festungsanlagen veraltet und die Besatzung schwach – nur ein paar hundert Mann, wie es hieß. Die Eroberung Brünns sollte unter normalen Umständen eine rasch überstandene Angelegenheit sein.
Dass Fürst Georgs transsilvanisches Heer nicht rechtzeitig zu erscheinen beliebt hatte, hatte verschiedene Ursachen. Die wesentlichste war wohl, dass der Oberherr des protestantischen Georg, der türkische Sultan, beschlossen hatte, gegen Venedig Krieg zu führen – der Konflikt drehte sich um die Insel Candia (Kreta), die in diesem Jahr von der Türkei eingenommen worden war. Ohne die finanzielle Unterstützung und den politischen Segen des Sultans fiel es dem armen Fürsten von Transsilvanien schwer, seinen Konflikt mit dem Kaiser auszutragen, was die geschickten Diplomaten des Letzteren sogleich auszunutzen verstanden. Bombardiert mit einer Vielzahl mehr oder weniger ehrlich gemeinter Vorschläge und Propositionen, ließ sich der wankelmütige Georg dazu verleiten, eine Waffenruhe mit den Kaiserlichen zu schließen. Und als die Gefahr aus dem Osten schwand, konnte Ferdinand sofort Truppen von dieser Front nach Wien verlegen. So zogen am 2 . April 3 Regimenter Infanterie, 5 Regimenter Kavallerie, rund 2000 ungarische Krieger und 13 Artilleriegeschütze in die Stadt ein, und noch mehr waren auf dem Weg.
In der Zwischenzeit stand das schwedische Heer bei Brünn und trat auf der Stelle. Die Kaiserlichen wussten um die Bedeutung der Stadt und hatten deshalb im Voraus schwache Stellen an den Mauern verstärkt, die Tore mit neu gebauten Schanzen geschützt und Artilleriegeschütze von naheliegenden Festungen dort zusammengezogen. Außerdem war die spärliche Besatzung durch rund tausend aufgebotene Zivilisten verstärkt worden, die wussten, welch ungnädiges Schicksal ihre Stadt erwartete, wenn sie kapitulierten: Waffen waren an die Schüler der Brünner Jesuitenschule ausgegeben worden, an Adlige, Bürger, Handwerksgesellen, Diener, Zimmerleute und Maurer. Die Verteidigung wurde auch von einem ungewöhnlich hartnäckigen und tatkräftigen Mann geleitet, einem französischen Hugenotten namens de Souches, der in schwedischem Dienst Karriere gemacht hatte, aber wegen eines unglücklichen Duells 1642 auf die Gegenseite gewechselt war. Torstensson seinerseits litt Mangel an den zwei Dingen, die in erster Linie für eine erfolgreiche Belagerung vonnöten waren: Das eine war Infanterie, das andere Pulver. (In der Regel verfügte nur die Infanterie über die Ausrüstung und die Erfahrung, die für den Kampf und die Arbeit in Approchen und Minengängen nötig waren, doch seit vielen Jahren hatte sich der Anteil des Fußvolks in der Armee zugunsten der beweglicheren und leicht zu unterhaltenden Reiter verringert. Das rächte sich jetzt.) In gut eineinhalb Monaten hatten die Schweden rund 17 Tonnen Pulver verbraucht, und obwohl unter anderem von jüdischen Vertragspartnern für teures Geld neues Pulver eingekauft wurde, konnte man die Belagerung nicht mit der gewünschten Kraft betreiben. Bald wurde klar, dass die Stadt nicht so rasch fallen würde, doch für den stolzen Torstensson wurde die Belagerung zu einer Prestigefrage. Betrunkene schwedische Soldaten (solche Mengen von Wein waren in der Region geraubt worden, dass zahlreiche Soldaten sich buchstäblich zu Tode tranken) gruben und starben in einem immer weiter verzweigten System von Sappen, Approchen und Kaponnieren – also gedeckten Approchen – über der Erde, und gleichzeitig fand ein bizarrer Krieg unter der Erde statt.
Torstensson ließ unter einem Teil der Stadtmauer und unter zwei Bastionen oben auf dem Spielberg Minen legen. Es war üblich, dass die Angreifer bei Belagerungen solche großen Sprengladungen benutzten, die sie unter den Festungswällen hindurch eingruben. Minenkrieg war indessen ein kompliziertes Unternehmen. Man brauchte dafür entweder besondere Mineure oder ganz einfach erfahrene Grubenarbeiter. Die Arbeit begann damit, dass man einen Schacht senkrecht bis zur gewünschten Tiefe grub. Dann begann man, den Tunnel zum Platz für die Sprengung vorzutreiben. Eine verbreitete Technik bestand darin, dass man vorgefertigte Holzrahmen benutzte, die dem Durchmesser des geplanten Tunnels entsprachen. Dann wurden auf allen Seiten des Rahmens mit Keulen Planken eingetrieben, woraufhin das darin
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