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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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befindliche Erdreich abgegraben und ein neuer Rahmen eingesetzt, neue Planken eingeführt wurden und so weiter. Stieß man auf große Steinblöcke, sprengte man sie oder zerschlug sie mit Hämmern – darum herumzugraben, galt als wenig empfehlenswert, weil man leicht die Richtung verlor. Die Mineure arbeiteten in der Regel in Vierergruppen; der Erste hackte mit einer Spitzhacke, der Zweite schaufelte die anfallende Erde auf eine Schubkarre, der Dritte rollte die Last zur Tunnelmündung, und der Vierte brachte die Erde fort.
    Geschickte Mineure schafften zwischen vier und sechs Meter pro Tag und waren in der Regel auch in der Lage, einen so dichten Tunnel zu graben, dass er beispielsweise unter einem wassergefüllten Wallgraben hindurchführen konnte. Ohne Zugang zu guten mechanischen Belüftungsvorrichtungen war es schwer, Minentunnel zu graben, die tiefer als etwa sieben und länger als rund 50 Meter waren. Es gab jedoch verschiedene einfache Vorrichtungen, die man in einer solchen Lage benutzte. Zum Beispiel konnte man oben an der Mündung des Schachts ein kleines Segel aufstellen, das zusätzliche Luft zu den Grabenden hinunterfächelte. Eine effektivere Methode bestand darin, einen zweiten Schacht neben dem alten zu graben, die zwei mit Hilfe eines Rohrs zu verbinden und dann am Boden des neuen Schachts ein Feuer anzuzünden; das Feuer saugte die Luft aus dem alten Schacht an, worauf dieser sich mit frischer Luft füllte.
    Wenn die Grabmannschaft sich schließlich zu dem Punkt unter der feindlichen Befestigung, wo die Mine angebracht werden sollte, vorgehackt, -gekratzt und -gehämmert hatte, begann sie mit dem Graben der Sprengkammer. Normalerweise verbreiterte man ganz einfach den Tunnel an den Seiten, um Platz für das Pulver zu schaffen. Außerdem senkte man oft den Boden in der Kammer um einen halben Meter oder mehr ab, um Platz für mehr Pulver zu schaffen und die Ladung mit möglichst großen Mengen fester Erde umgeben zu können. Wollte man ein größeres Stück Mauer oder eine große Bastion sprengen, grub man mehrere Sprengkammern, die in einer unterirdischen Kette nebeneinanderlagen. Wollte man mehrere Sprengungen an ein und demselben Punkt erreichen, konnte man Kammern graben, die stockwerkartig übereinanderlagen. Danach brauchte man nur das Pulver in die Kammern zu packen. Es gab unterschiedliche Regeln und unterschiedliche Auffassungen darüber, wie viel Sprengmittel benötigt wurde – die meisten Mineure des 17 . Jahrhunderts scheinen der irrigen Meinung gewesen zu sein, dass es nicht lohne, eine Mine über einen bestimmten Punkt hinaus zu laden; dem lag die Vorstellung zugrunde, dass das Erdreich nur höher in die Luft geschleudert würde, ohne dass der Krater entsprechend größer wurde –, häufig wurde eine Formel benutzt, die besagte, dass die Ladung so viel
Skålpund
[ 425 g] wie die Tiefe der Mine in Fuß mal 300 sein muss. Das soll heißen: Eine Ladung, die drei Meter tief in mittelfester Erde lag, sollte aus gut 1200 Kilo Pulver bestehen, was rund 600 Kanonenschüssen entsprach. Auch kleine Sprengungen erforderten also viel Pulver, was bedeutete, dass der Minenkrieg, abgesehen davon, dass er schwierig war, auch reichliche Ressourcen verlangte. Offenbar hatten unter anderem die Minensprengungen bei Brünn die Pulverknappheit der schwedischen Armee verursacht.
    Nachdem die Kammer mit Pulver, normalerweise in Säcken verpackt, gefüllt war, brachte man dort eine grobe Zündschnur an, die in einer kleinen, vierkantigen Rohrleitung aus Holz – einem sogenannten
auget
[Leitrinne] – nach hinten geführt wurde. Schließlich wurde der Tunnel mit Erde aufgefüllt und die Öffnung mit einer massiven Tür versperrt. Dann wurde die Zündschnur angezündet. Und daraufhin verschwand die Mauer in einem dröhnenden Vulkanausbruch von Erde, Steinen, Feuer, Rauch und verbrannten Körperteilen.
    Ein guter Verteidiger ließ es jedoch so weit nicht kommen, sondern versuchte mit verschiedenen Methoden, die Mineure an ihrer Arbeit zu hindern. Man konnte Ausfälle über der Erde machen und die Tunnel zerstören. Man konnte auch unter der Erde eine Gegenoffensive beginnen. Das tat der einfallsreiche de Souches hier bei Brünn. Die Mineure der Verteidiger arbeiteten sich hinunter zu den verschiedenen Tunneln der Belagerer. Sie lauschten und gruben abwechselnd, denn es ging darum, das Werk des Angreifers nach Möglichkeit zu erreichen, ohne entdeckt zu werden. Manchmal waren die Grabenden so weit entfernt,

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