Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
hatte die Belagerung keine Aussicht auf Erfolg mehr. Das schwedisch-französische Heer räumte seine Stellungen und die neu gegrabenen Minengänge, rollte die Kanonen aus den Batterien, schickte seine Verwundeten voraus, setzte das eigene Lager in Brand und retirierte anschließend in guter Ordnung von Augsburg in nordwestlicher Richtung. Man wollte indessen nicht in die abgegrasten Regionen im Norden zurückgehen. Aber man brauchte um jeden Preis gute Winterquartiere. Schon hatte der erste Schnee die Felder und Wege weiß gefärbt, die Soldaten waren ausgelaugt nach all den Märschen und hatten zudem zu wenig Waffen, Pferde und Kleidung. Nach einer Zeit der Ruhe (da die Kaiserlichen den Anschluss zu Wrangels und Turennes Heer verloren hatten) schwenkten sie in einem Bogen wieder nach Südosten, überraschten am 25 . Oktober eine Abteilung von 75 Reitern, die den Übergang bei Landsberg bewachten, und nahmen die Brücke unversehrt ein. Sie waren zurück auf der östlichen Seite des Flusses. Das überrumpelte, ausmanövrierte und ausgemergelte kaiserliche Heer verschwand, Schweden und Franzosen folgten ihm auf Wegen, die von den langen, kalten Herbstregen so schlammig waren, dass alles, was Räder hatte, sich festfuhr. Bayern lag nun offen vor den Armeen der Franzosen und Schweden. Da geschah es – wieder einmal.
Der Krieg bewegte sich gegen alle Voraussicht auf eine endgültige Entscheidung zu. Früher waren es die Verwicklungen auf dem Schlachtfeld gewesen, die über den Fortgang des Konflikts entschieden hatten. Nun war das Tun und Lassen der Armeen immer stärker zu einem Nebenschauplatz der umständlichen Friedensverhandlungen in Osnabrück und Münster geworden. Die Politiker und Diplomaten hatten schließlich einen Teil der Initiative wieder an sich gezogen; sie gaben den Ton an, und die Militärs mussten zur Abwechslung einmal brav nach ihrer Pfeife tanzen. Die Ereignisse machten deutlich, dass die Lehren des Krieges allmählich fruchteten und dass besonders die französischen Machthaber sich Einfluss wenn nicht auf den Konflikt, so in jedem Fall auf dessen Verlauf verschafft hatten, ja, dass Mazarin in Paris saß und über eine Art kleinen Manöverschalter präsidierte. Dies war faktisch ein Fortschritt, ein kleiner Schritt zur Rückgewinnung der Kontrolle über das brüllende Ungeheuer, das sie alle terrorisierte.
Im Frühjahr, als der Kurfürst von Bayern Anstalten gemacht hatte, sich unter die breiten Fittiche der Franzosen zu begeben, hatte Mazarin mit seinem Befehl an Turenne, die Vereinigung mit den Schweden zu unterlassen, mehr oder weniger den Krieg ausgeschaltet. Als daraus nichts wurde, schaltete er ihn wieder an; nun, da Bayern den französischen und schwedischen Waffen schutzlos preisgegeben war und die Landeshauptstadt München in Reichweite lag, ließ Mazarin ihn mit einer souveränen kleinen Fingerbewegung wieder ausgehen. Und alles stand wieder einmal still.
Kurfürst Maximilian war natürlich zu Tode erschrocken über die großen Erfolge der schwedischen und französischen Armee, die nun sein Land zu überschwemmen drohten. Er war jetzt bereit, den Franzosen mehr oder weniger alles zu geben, was sie verlangten, während gleichzeitig der hart bedrängte kaiserliche Gesandte von Trauttmansdorff den Spätfrühling und Sommer über in Westfalen verhandelt und ein großes Zugeständnis nach dem anderen gemacht hatte. Vielleicht war ein Kompromissfriede trotz allem möglich? Im Spätherbst 1646 waren im Großen und Ganzen alle schweren Fragen gelöst, widerstreitende Wünsche angeglichen und die meisten konstitutionellen Fragezeichen geradegebogen. Frankreichs Forderungen an den Kaiser waren bescheiden – auf jeden Fall verglichen mit den schwedischen. Mazarin wollte, dass die von den Franzosen eroberten Länder am Rhein, einschließlich des Elsass und der wichtigen Festung Breisach, in französischen Besitz übergehen sollten. Der Kaiser selbst hatte sich lange geweigert, teils weil die deutschen Stände, unabhängig von ihrer Konfession, grundsätzlich gegen jede Abtretung deutschen Landes an Ausländer waren, teils weil das Elsass eine der ältesten Besitzungen der Habsburger war. Nach weiteren militärischen Rückschlägen und nachdem ein bedrängter Maximilian von Bayern zum dritten Mal in zwei Jahren damit gedroht hatte, die Waffen niederzulegen, stimmte Wien im September 1646 schließlich doch einer Übereinkunft zu, derzufolge das Elsass gegen eine Entschädigung von 1 , 2 Millionen
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