Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Karl Gustav jeder Schürze nach und brachte es auch binnen kurzem zu einer Schar unehelicher Kinder. Eins von diesen war Carolus, der Sohn einer böhmischen Adligen namens Ludmilla von Lazan aus einer kleinen Stadt in Mähren, die das schwedische Heer kurz nach dem Triumph bei Jankau eingenommen hatte; einen weiteren unehelichen Jungen sollte er gerade zu Hause in Stockholm mit der Bürgerstochter Märtha Allertz bekommen, mit der er längere Zeit ein Verhältnis hatte; gleichzeitig verpasste er auch nicht die Gelegenheit, ein Stallmädchen in Eskilstuna, Walbor Staffansdotter, zu schwängern. Und so weiter.
Karl Gustav war kein Einzelfall, was diese erotischen Streifzüge betrifft. Es gab in dieser Epoche eine hochentwickelte Doppelmoral, nach der und unter der die meisten Menschen lebten. Die Männer durften jederzeit sexuelle Erfahrungen vor der Ehe machen, während die Frauen am besten unberührt sein sollten. Die kleinen amourösen Eskapaden des Mannes wogen in der Regel nicht schwer, während weibliche Untreue mit großem Eifer verurteilt wurde. Die verschiedenen sexuellen und amourösen Seitensprünge fürstlicher Personen hielt man für vielleicht etwas bedauerlich, aber dennoch ziemlich akzeptabel. In einer Welt von Vernunftehen und dynastischer Heiratspolitik waren der und die Geliebte ein mehr oder weniger unvermeidlicher Teil des Privatlebens. Wie weit dies gehen konnte, sieht man daran, dass es in dieser Epoche Fürsten gab, die zwischen 300 und 400 uneheliche Kinder zurückließen. Aber nicht alle zogen es vor, bei derartigem sexuellen Berserkertum wegzuschauen oder einverständlich zu schmunzeln. Das Thema war trotz allem ein wenig heikel, und Axel Oxenstierna, der strenge moralische Ansichten vertrat, scheute sich nicht, diese unehelichen königlichen Abkömmlinge Hurenkinder zu nennen. Außerdem war es ja nur die erotische Oberklasse, will sagen die Männer, die hierbei auf die Dauer etwas zu gewinnen hatten, und wir können vermuten, dass sich die Begeisterung für diese ausufernde Mätressenwirtschaft bei den Frauen in Grenzen hielt.
Etwas war vorgefallen. Briefe von der verliebten Christina kamen in immer längeren Abständen, und der Inhalt ließ erkennen, dass ihr Interesse an Karl Gustav abgekühlt war. Gerüchte gingen um. Eins von ihnen besagte, dass eine oder mehrere Personen der Königin etwas über Karl Gustavs amouröse Eskapaden ins Ohr geflüstert hätten und dies ihrer Liebe Abbruch getan habe. Es gab auch Leute, die auf einen bestimmten Jemand zeigten, der geklatscht haben sollte. Er hatte im Herbst 1644 sein Debüt in den inneren Hofkreisen in Stockholm gegeben. Es war Magnus Gabriel De la Gardie, der älteste Sohn des Reichsmarschalls, ein eleganter, gebildeter und weltgewandter junger Mann, in schöne Garderobe gehüllt und wohlvertraut mit den neuesten Pariser Manieren. Verglichen mit diesem Treibhausgewächs
à la mode
mit seinen Kratzfüßen, seiner feinen Erscheinung und seinem stolzen Auftreten wirkte Karl Gustav mit seiner Haudegenart, seinen schlichten Kleidern – seine Familie war häufig in großen Geldnöten –, seiner beginnenden Fettleibigkeit und seiner Neigung zur Völlerei und zu sexuellen Ausschweifungen ziemlich grobschlächtig. Und es gab also Leute, die behaupteten, der Flüsterer sei kein anderer als Magnus Gabriel De la Gardie persönlich. Ob nun tatsächlich Karl Gustavs eigenwilliger Penis ihn um die Krone brachte oder lediglich Christina nach ihrer Mündigerklärung ein neues Selbstbewusstsein gewonnen hatte, bleibt unklar. Karl Gustav war auf jeden Fall auf dem Weg nach Stockholm, um zu versuchen, die Dinge geradezubiegen. Er hatte einen Plan.
Die Begegnung zwischen Karl Gustav und Erik Jönsson in Stralsund kann allerdings beim besten Willen nicht bedeutungsvoll genannt werden. Anlässlich der Reise des Pfalzgrafen hatte Erik den Auftrag erhalten, in Warnemünde ein Schiff für ihn anzuheuern und dafür Sorge zu tragen, dass die Hafeneinfahrt eisfrei war. Erik war im Begriff, sich von einem einfachen dienstbaren Geist zu einem Beamten im Dienst der Krone zu entwickeln.
Das Jahr 1647 war bedeutungsvoll für Erik; er wechselte nämlich die Laufbahn und tat zum ersten Mal richtigen Kriegsdienst. Vor sechs Jahren war er als wurzelloser und noch unfertiger Fünfzehnjähriger, der kopfüber ins Erwachsenenleben geschleudert wurde, nach Stettin gekommen. In den folgenden Jahren hatte er offenbar teils ein erträgliches, wenn auch heikles Gleichgewicht
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