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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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entscheidend beeinflussen sollte. Karl Gustav war auf der Reise nach Stockholm, auf dem Heimweg zu einer Liebe, die gerostet war.
    Der Pfalzgraf hatte seit mehreren Jahren ein Liebesverhältnis mit seiner Kusine, der Königin Christina. Die pfälzische Familie wollte sich unter Hinweis auf die Verwandtschaft mit dem Vasa-Geschlecht zu den schwedischen Thronprätendenten rechnen. Der Rat mit Axel Oxenstierna an der Spitze war jedoch strikt gegen den Gedanken, einen der Pfälzer, und insbesondere Karl Gustav, Regent über das schwedische Reich werden zu lassen. Die Familie des Pfalzgrafen war rein deutsch, und der schwedische Adel betrachtete sie als fremde Vögel, Usurpatoren ohne das Recht, sich zur schwedischen Königsfamilie zu zählen. Man arbeitete deshalb mit allen Mitteln gegen die Pfälzer. Karl Gustav hatte sich in den frühen vierziger Jahren an den Rand gedrängt gesehen: Er verlor das Recht, im Schloss zu speisen, erhielt bei verschiedenen offiziellen Anlässen beleidigend schlechte Plätze oder durfte überhaupt nicht teilnehmen. Von den Ratsherren wurde er offenbar als politische Bedrohung angesehen, insbesondere weil er ein Gegner der Einschränkung der Königsmacht war, die während der Unmündigkeit Christinas praktiziert wurde. Er hoffte jedoch, allen Schikanen und Enttäuschungen zum Trotz, irgendwann den schwedischen Thron besteigen zu können, wenn nicht aus eigener Kraft, dann mit der Hilfe Christinas. Er war schon als Kind mit der jungen Königin befreundet, und als sie heranwuchsen, verwandelte sich ihre Freundschaft in Liebe. Zumindest Christina war aufrichtig verliebt in ihren Vetter und schrieb ihm zärtliche Briefe, als er nach Deutschland abgereist war, um unter Torstensson in den Krieg zu ziehen. Sie versprach, ihn zu heiraten, wollte dies jedoch mit Rücksicht auf ihre gemeinsamen Widersacher im Rat geheimhalten und den Plan erst verwirklichen, wenn sie ihre Regentschaft angetreten hatte; sie versicherte, dass sie ihm treu sein und geduldig auf den rechten Augenblick warten würde und dass sie hoffe, dass er das Gleiche versprechen könne. Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Er konnte es nicht. Er war viel zu sinnlich, um Christinas Ansprüchen genügen zu können.
    Die Armeen wurden, wie bereits erwähnt, von vielen Zeitgenossen als Brutstätten der Unzucht und des moralischen Verfalls angesehen, und das mit Recht. Die Heere waren voll von abgestumpften Menschen, die ständig den Atem des Todes im Nacken spürten und dies gerne damit kompensierten, dass sie den Trost suchten, der in einem ordentlichen Rausch oder noch einer Ejakulation zu finden ist. Es gab immer reichlich Gelegenheit für den, der sich sexuell austoben wollte, insbesondere wenn man jung, aus fürstlichem Geschlecht und gewohnt war, seinen Willen durchzusetzen. (Außerdem nutzten im 17 . Jahrhundert offenbar viele Männer mit Geld und Macht diese Überlegenheit aus, um Frauen niederen Standes dazu zu verleiten oder zu zwingen, ihre Geliebten zu werden. Dienerinnen in den Haushalten wurden häufig schwer von ihren Hausherren drangsaliert, während Männer in hohen Positionen sich nicht scheuten, in diskreter Form Liebesdienste von den Frauen oder Töchtern ihrer Untergebenen zu verlangen.) Karl Gustavs Vater hatte ihn vor den moralischen Gefahren gewarnt, die ihn in Form von Trinkgelagen, Glücksspiel und Völlerei erwarteten, und ihn eindringlich ermahnt, nur «züchtigen Umgang» zu pflegen. Karl Gustav scheint indessen den besorgten Ermahnungen seines Vaters nicht mit übertrieben großem Interesse gelauscht zu haben, denn er ergab sich schon bald dem sittenlosen Leben in allen ihm zugänglichen Formen. Er spielte, er prasste – in diesen Jahren bis zum Ende der vierziger Jahre hatte er sich ein ansehnliches Doppelkinn angegessen, und die Backen hingen schon rund und ein wenig bulldoggenhaft herab –, und er soff, maßlos, häufig und gern. Und er war ein Schürzenjäger. Man gewinnt den Eindruck eines streng gehaltenen Jünglings, der seiner häuslichen Überwachung entkommen ist, Gefallen an der Freiheit findet und über die Stränge schlägt und dies ein bisschen zu eifrig tut. Gemeinsam mit seinem Freund Lorenz van der Linde – einem Kaufmannssohn aus Stockholm, dessen Natur, wie er selbst meinte, nach ständig neuen Geliebten verlangte, der sich deshalb nicht verheiraten wollte und bei einer Gelegenheit sagte, die «schmutzigen Frauen» seiner Musketiere behagten ihm mehr als die schönsten Hofdamen – lief

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