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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Skizzen und Beobachtungen verändert hat. Erik hatte ein scharfes Auge und neigte interessanterweise nicht zu Verschönerungen. Eine Federzeichnung von Wolgast zeigt eine ramponierte Stadt. Die Stadtmauer ist unregelmäßig und brüchig und fehlt an manchen Stellen ganz; schwarze, hässliche Löcher klaffen hier und da in Hauswänden und auf Dächern; mehrere Stadtviertel sind verschwunden, liegen in Schutt und Asche, nur ein paar Mauerreste ragen aus den Trümmerhaufen wie die Rückenpartie eines vor langer Zeit Ertrunkenen. Es ist ein realistisches Bild der Zerstörung durch den großen Krieg, und vielleicht kann man in dieser Offenherzigkeit, mit der es zeigt, wie es
eigentlich
aussah, eine milde Kritik am Krieg sehen. Aber nun sollte Erik den Sprung von der eigenhändigen Schilderung des Unfriedens zu der eigenen Beteiligung daran tun. Zu diesem Zeitpunkt seines Lebens war er offenbar bereit, seinen Wagen an alles anzuhängen, auch an den großen Krieg, wenn dies ihn nur voranbrachte.
    Rehnskiöld war der Meinung, Erik eigne sich aufgrund seiner zeichnerischen Begabung zum Fortifikationsoffizier. Dass Erik selbst solche Pläne gehegt hat, erkennt man daran, dass er in seiner Freizeit auch mathematische Fächer studiert und fleißig seinen Zeichenstift benutzt hat. Erik werde dem König und dem Vaterland als Ingenieur größere Dienste erweisen denn als Schreiber, meinte Rehnskiöld, und außerdem – und dies war ein deutlicher Wink mit dem Zaunpfahl – gebe es genügend Beispiele von Leuten, die auf diese Weise «zu großem Glück und Ämtern aufgestiegen waren». Das war richtig. Abgesehen davon, dass die Fortifikationskunst eine ausgezeichnete Einstiegsmöglichkeit war für den, der eine militärische Laufbahn anstrebte, bot sie auch einen Weg zu einer mehr zivilen Karriere. (Der bekannte Architekt Nicodemus Tessin d. Ä. – der zehn Jahre älter war als Erik und später als Architekt des Schlosses Drottningholm und zahlreicher kleiner Landschlösser berühmt werden sollte – begann seine Laufbahn als Fortifikationsoffizier, und obwohl er im Jahr zuvor der Nachfolger des erstochenen französischstämmigen Architekten Simon de la Vallée geworden war, trug er offiziell noch immer den Titel «Kondukteur».) Und dahin wollte Erik ja offenbar gelangen, zu «großem Glück und Ämtern».
    Anfang 1647 traf Rehnskiöld den Obersten Conrad von Mardefelt, der neuer Kommandant in Demmin war, einer befestigten Stadt gut 50 Kilometer südlich von Stralsund. Mardefelt war wie Rehnskiöld ein bürgerlicher Karrierist, der geadelt worden war. Er hieß eigentlich Maesberg und entstammte einer deutschen Bürgerfamilie. Schon 1628 hatte er sich als Volontär dem schwedischen Heer angeschlossen und war seitdem ständig in den Rängen und Ämtern nach oben geklettert; unter anderem hatte er an den Kämpfen bei Wittstock und bei Jankau teilgenommen. Er war ein recht geschickter Zeichner und hatte unter anderem einige Skizzen von der letztgenannten Schlacht angefertigt, die später in dem großen
Theatrum Europaeum
wiedergegeben wurden, einem Werk mit Bildern, Erzählungen, Flugblättern und offiziellen Verlautbarungen über zeitgenössische Ereignisse, das von dem berühmten Kupferstecher und Verleger Matthäus Merian in Frankfurt herausgegeben wurde. Mardefelt hatte nun den Titel eines «Generalinspectors» der Festungen, die Schweden in Norddeutschland hielt, und war, mit anderen Worten, eine Person, die kennenzulernen sich für einen jungen Mann, der in die Geheimnisse der Fortifikationskunst eindringen wollte, lohnen konnte. Rehnskiöld «rekommendierte» dem Obersten seinen jungen Klienten. Mardefelt erklärte sich bereit, ihn auf Probe zu sich zu nehmen.
    Am 14 . März quittierte Erik seinen Dienst bei Rehnskiöld und reiste mit Mardefelt nach Demmin, das sein neues Zuhause werden sollte. Den größeren Teil des Frühjahrs 1647 folgte er Mardefelt auf den Fersen, während dieser umherreiste und eine Reihe befestigter Orte in Norddeutschland inspizierte. Viele Festungen waren nach den langen Kriegsjahren in schlechtem Zustand. (Das oben erwähnte in Trümmer geschossene Wolgast kann als Beispiel dienen, wie schlimm es tatsächlich sein konnte.) Offenbar machte der energische junge Mann auf den Oberst einen guten Eindruck, denn bereits nach gut zwei Monaten beschloss dieser, ihn anzustellen. Am 2 . Juni wurde Erik zum «Kondukteur der pommerschen, mecklenburgischen, bremischen und westfälischen Festungen» ernannt –

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