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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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zwischen seinen eigenen Fähigkeiten und den Forderungen einer düsteren Umwelt gefunden, teils einen festen Halt in seinem Leben in Gestalt eines guten Hausvaters, Rehnskiöld. Der junge Mann, der zunächst mit der Rute gezüchtigt worden war, war wieder einmal durch seine Fähigkeit, ein gehorsamer und nicht unbegabter Junge zu sein, gerettet worden. Während der Jahre bei Rehnskiöld hatte sein Charakter sich geformt und langsam zu einer Persönlichkeit gefestigt. Erik erweckt den Eindruck eines rührigen und zuverlässigen jungen Mannes, arbeitsam, emsig, talentiert und ehrgeizig, aber auch eines von großem Hunger nach Ruhm und weltlicher Ehre getriebenen Karrieristen. Es ist nicht schwer zu sehen, was ihn dazu trieb, so viel und so schnell zu laufen. Es ist allem Anschein nach seine einfache Herkunft. Erik strebte bereits jetzt nach oben, durch die verschiedenen Hierarchien der Hierarchien zu den vage geahnten Höhen, wo Sicherheit und Ansehen zu finden waren und unerfüllte Wünsche am Ende Wirklichkeit wurden. Er war kein schmutziger Straßenjunge, sondern ein noch nicht ganz erwachsener Mann, der so viele erfolgreiche Streber gesehen hatte – wie zum Beispiel den frisch geadelten Rehnskiöld –, dass auch in ihm die Lust auf sozialen Aufstieg geweckt wurde; seine Ausbildung hatte ihm seine eigenen Stärken bewusst gemacht, und er begriff, dass ein solcher Aufstieg auch für ihn im Bereich des Möglichen lag. Natürlich kann man diesen Einundzwanzigjährigen als jemanden sehen, der Revanche nehmen will, der versucht, sich für eine absonderliche und einsame Kindheit zu entschädigen, für seine Armut und seine einfache Herkunft, für erlittenes Unrecht, wirkliches oder eingebildetes. Zugleich zwingt ihn auch seine bürgerliche Herkunft zu noch größeren Anstrengungen, zu noch mehr Arbeit. Er weiß, dass ihm nichts, aber auch gar nichts geschenkt wird, und er sieht ein, dass er, wenn er in dem ewigen Gerangel um Aufträge, Dienste und Vorteile erfolgreich sein will, um vieles tüchtiger sein muss als seine adligen Konkurrenten. Und er
muss
tüchtig sein, denn niemand ist da, der ihn auffängt, falls er fällt – dann landet er unwiderruflich wie alle übrigen Versager in der Gosse. Es ist offensichtlich, dass dies kein Mensch ist, der es auf sich nimmt, «diese erbärmliche und elende Welt» zu retten, sondern einer, der vollauf damit beschäftigt ist, sich an diesem ungastlichen Ort selbst zu retten.
    Erik hatte sein erstes Startkapital gewonnen, das alle bürgerlichen Jünglinge brauchten, die eine Karriere anstrebten, nämlich einen Gönner, eine Person, die einen mit sich nach oben ziehen konnte, wenn man den Fuß auf die unterste Sprosse der Leiter setzte und nach oben schaute. Vielleicht war die Begegnung mit Rehnskiöld der Schimmer von Glück, den er brauchte. Anfänglich war es einfach und eindeutig gewesen: Rehnskiöld war der barsche Hausvater mit der Rute und Erik der Dienstjunge mit dem schmerzenden Hintern, doch nun hatte die Beziehung sich zu dem festen und engen Band zwischen einem Patron und einem liebgewonnenen Klienten ausgewachsen. Was nun am Beginn des Jahres 1647 geschah, muss im Licht des unausgesprochenen Kontrakts gesehen werden, der zwischen jedem Wohltäter und seinem Klienten bestand. Rehnskiölds Handlungsweise war zum Teil sicher ganz uneigennützig; er mochte offenbar den jungen Mann und ahnte außerdem ein schlummerndes Talent. Im Übrigen war er mit der Arbeit seines Gehilfen zufrieden. Nach Eriks eigenen Worten hatte sein Hausvater «meine Treue und meinen Fleiß in allen Dingen bemerkt und selbst häufig gelobt, doch meistens in meiner Abwesenheit und hinter meinem Rücken». Rehnskiöld hatte auch bemerkt, dass Erik künstlerisch begabt war. Darin lag der Weg zum Erfolg. Und der führte über den Krieg.
    Erik zeichnete offenbar fleißig in diesen Jahren, und einige seiner Bilder aus der Mitte der vierziger Jahre haben überlebt. Es gibt eine Zeichnung vom kaiserlichen Feldlager bei Belgard 1643 , als er den Krieg zum ersten Mal aus der Nähe sah; eine andere zeigt Kalmar, eine dritte Stockholm, mit Bleistift skizziert. Die Bilder lassen künstlerisches Talent erkennen, vermitteln aber zugleich einen etwas unbeholfenen und tastenden Eindruck. Die Sache mit der Perspektive beherrscht er noch nicht, und der Strich ist steif und pedantisch. Einige Ansichten sächsischer Städte zeigen, dass er alte Radierungen vor sich gehabt und abgezeichnet, sie aber auch nach eigenen

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