Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Katholizismus zu konvertieren. Schon im Jahr zuvor hatte sie dem schockierten Rat mit Axel Oxenstierna an der Spitze mitgeteilt, dass sie beabsichtige, der schwedischen Krone zu entsagen. Damals sagte sie keinen Ton über ihre religiösen Grübeleien, sondern wies lediglich darauf hin, dass es das Beste sei, wenn das Reich von einem Mann regiert würde, der den militärischen Pflichten genügen könne, die sie nicht beherrschte. Die Unruhe an den Grenzen des Reiches hatte nämlich wieder zugenommen: In Polen weitete sich der Bürgerkrieg noch aus, und es war die Frage, ob er sich zu einer östlichen Variante des chaotischen deutschen Kriegs entwickeln und wie jener die Nachbarn mit in den Unfrieden ziehen würde. Das Absonderliche war, dass zur gleichen Zeit, in der sich im Westen seit 1648 die Ruhe langsam ausbreitete, die Unruhe und die Erschütterungen im Osten immer mehr zunahmen. Und Schweden lag zwischen diesen geographischen Blöcken, weder im Westen noch im Osten, oder eher sowohl als auch. Dass die Aufgabe einem Mann übertragen werden solle, war kein billiger Vorwand. Von Anfang an war Christina in der widerspruchsvollen und im Grunde aussichtslosen Position, Herrscherin in einem politischen System zu sein, das Frauen ausschloss. Sie hätte ja ein Junge sein sollen, und wie sehr sie es auch versuchte, konnte sie doch nie ganz den Ansprüchen der Umgebung gerecht werden. Es war traurig, doch nicht besonders erstaunlich, dass sie in dieser unmöglichen Lage von noch brüskerer Verachtung für ihr eigenes Geschlecht im Allgemeinen und für die regierende Frau im Besonderen erfüllt wurde. Später schrieb sie: «Ich bin so fest davon überzeugt, daß Frauen nie regieren sollten, daß ich, wenn ich Töchter gehabt hätte, ihnen ohne Zweifel jedes Sukzessionsrecht genommen haben würde», und weiter: «Der Mangel der Frauen an erforderlichem Wissen und die Schwäche, die ihnen sowohl an Seele und Körper als auch an Begabung anhaftet, machen sie unfähig zu herrschen.»
Das System war selbst für eine so vielseitig begabte Frau wie Christina allzu groß, allzu schwer und allzu träge. Sie gab auf. Und während ihre Schwierigkeiten, in einer ganz und gar männlichen Welt eine Frau zu sein, ihren Thronverzicht wahrscheinlich und sogar vorhersehbar machten, waren es ihre Glaubenskrise und ihr Übertritt zum Katholizismus, die ihn unvermeidlich machten. Das streng protestantische Schweden
konnte
keinen katholischen Regenten haben. Das war vollkommen undenkbar. Die ergrauten Männer des Rats hatten sie immer wieder mit Sachgründen, Bitten und Ermahnungen bestürmt, um sie zur Rücknahme ihrer Entscheidung zu bewegen. Sie wussten nichts von ihrem geheimen Beschluss und fanden ihre offengelegten Gründe etwas dünn. Sie zeigte sich unbeugsam, und man beschloss, einen außerordentlichen Reichstag einzuberufen, der am 2 . Mai 1654 in Uppsala beginnen sollte. Dort sollte Christina ein für alle Mal auf den schwedischen Thron verzichten, und dort sollte ihr Nachfolger Karl Gustav zum neuen Regenten gekrönt werden.
An dem Tag, als der neue Reichstag zusammentreten sollte, verließ Erik Jönsson in aller Eile Wien. Er reiste auf direktem Weg nach Norden durch Mitteleuropa, streckenweise zu Pferd oder mit der Postkutsche, streckenweise mit einem Flussboot. Er hastete voran, was das Zeug hielt; es galt, rechtzeitig anzukommen. In seinem Eifer legte er an den ersten drei Tagen 380 Kilometer zurück, doch das rächte sich. In Prag war er gezwungen einzuhalten, erschöpft und krank, «da ich mich bei solch hastiger Reise etwas unpäßlich befand». Es dauerte zwei Wochen – in denen er unter anderem bei einem deutschen Grafen Hilfe fand, den er im Jahr zuvor auf dem Reichstag in Regensburg getroffen hatte –, bis er wieder so gestärkt war, dass er die Reise fortsetzen konnte. Die Verspätung war jedoch nicht mehr aufzuholen. Erik erreichte Stralsund, und am 6 . Juni 1654 ging er an Bord eines Schiffs, das ihn nach Schweden führen sollte. Am gleichen Tag dankte Christina ab.
Die Gesten sind ein weiterer jener Bereiche, in denen die Gegenwart sich neben der Vergangenheit ärmlich ausnimmt. Die Menschen, die in dieser Epoche lebten, verfügten über ein breites Repertoire von Gebärden, die wie die allegorische Welt angefüllt waren mit mehr oder weniger verborgenem Sinn und Bedeutungen. Doch auch in dieser Hinsicht war das 17 . Jahrhundert eine Zeit der Veränderung. Während des noch nicht allzu lange geschwundenen
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