Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Einkünfte direkt an seine eigene Familie gingen, und Urban VII . setzte diese Politik fort; er schämte sich nicht, seinen eigenen Bruder sowie drei Schwäger, von denen einer erst 19 Jahre alt war, zu Kardinälen zu ernennen – was für die Wirtschaft ein weiterer Aderlass war. Das Kunstleben in Rom beruhte in hohem Maß auf dem Klientensystem. Nur wer die richtigen Kontakte hatte, bekam die richtigen Kontrakte. Jeder Wechsel auf dem päpstlichen Stuhl bedeutete auch, dass die Leute des Vorgängers rücksichtslos von ihren Posten entfernt wurden. Das galt für alle, von den Kohorten eingeschleuster Verwandter bis zu verschiedenen künstlerischen Schützlingen, die nicht selten erlebten, dass ihre maßlos teuren Projekte gestoppt oder sogar niedergerissen wurden, während gleichzeitig neue Schützlinge mit einem zufriedenen Grinsen im Gesicht einzogen, die Arme voller Zeichnungen und den Kopf voller grandioser Projekte. Gerade das Jahr 1656 war ein Wendepunkt in der Geschichte von Roms zweiter Blütezeit. In diesem Jahr wurde die Stadt von einer schweren Pestepidemie heimgesucht, während gleichzeitig ein neuer Papst, Alexander VII ., eben seinen Einzug gehalten hatte. Das kulturelle Leben Roms wurde neu durchgeschüttelt, und diesmal handelte es sich nicht um die kaleidoskopischen Veränderungen im Klientennetz, die jedes Mal stattfanden, wenn Petri Schlüssel an einen neuen Mann übergingen. Jetzt war es die wirtschaftliche Krise, die die frohgemuten Männer mit den Spendierhosen schließlich eingeholt hatte. Die Anzahl von Bestellungen ging rasch zurück. Der Kunstmarkt war auf dem Weg in eine klare Depression. Scharen von Baumeistern, Bildhauern und Malern waren plötzlich ohne Arbeit. Deshalb verließen sie in großer Zahl Rom, um anderswo in Europa neue Gönner, Auftraggeber oder Käufer zu finden: in Deutschland, Spanien, Frankreich, England. So breitete sich der sonderbare Barockstil über Europa aus.
Dies war noch kaum zu ahnen in einem Rom, das wie die gesamte Halbinsel von dem Blendwerk der Erinnerungen auf großem Fuß leben konnte. Erik Jönsson und seine Gesellschaft waren auf jeden Fall beeindruckt von der Stadt, die ihnen begegnete, und in einem neuen Ausbruch von wildem Tourismus hasteten sie umher und nahmen alles in Augenschein, was sehenswert war. Eine gewisse Übersättigung mit Marmor, antiken Säulengängen und Voluten ist jedoch bei Erik zu verspüren. Die Begegnung mit Venedig ließ ihn eine lange und ziemlich detaillierte Beschreibung dessen verfassen, was er an Großem und Kleinem in der Stadt gesehen hatte. Die Begegnung mit Rom schlug sich nur in einem Seufzer der Erschöpfung im Tagebuch nieder: «Was in Rom und darum herum zu sehen ist, haben wir mit Fleiß beachtet, und es wäre allzu weitläufig, dies hier auszuführen.»
Ihre römischen Besichtigungen erhielten eine besondere Würze dadurch, dass sie in der Stadt Schwedens frühere Königin Christina trafen. Ihr Haar war sonderbar kurz geschnitten. Nach der Abreise aus Schweden war sie nämlich zunächst als Mann verkleidet gereist, unter dem Namen «Graf Dohna» – was sogleich Anlass zur Entstehung einer wuchernden Gerüchteflora gegeben hatte, die nur noch wilder aufblühte, als man entdeckte, dass sie auch drei Wochen in Hamburg bei dem jüdischen Bankier Diego Texeira gewohnt hatte. In Antwerpen angekommen, hatte sie jedoch ihr Inkognito fallenlassen und sogleich ein mondänes Hofleben
en miniature
aufgezogen, mit allem, was dies an Zerstreuungen, Musik, Theater und geschraubtem Etikettenstreit mit denen umfasste, die nicht begriffen hatten, dass die selbstbewusste Königin zwar dem Thron, doch keineswegs ihrem Titel entsagt hatte. Am Heiligabend 1654 hatte sie in Brüssel, unter größter Geheimnistuerei und hinter selbstgelegten Rauchschleiern, den katholischen Glauben angenommen. Erst Anfang November des folgenden Jahrs vollzog sie vor dem Hochaltar der Schlosskirche in Innsbruck ihren offiziellen Abfall von der lutherischen Lehre – ein Zuschauer meinte, dass sie sich leichtfertig aufführte, als sie dort stand und «lachte, kicherte und spielte und an ihrem Haar zupfte». Danach verschwand sie mit ihrem zahlreichen Gefolge und ihrem großen, mit Kunst beladenen Gepäck in einer farbenprächtigen, wenngleich ein wenig monotonen Abfolge von Hurrarufen, Triumphbögen, Prozessionen, Feuerwerken und Fackelzügen. Ihre Ankunft in Rom im Dezember 1655 wurde mit einem beinahe hysterischen Nachdruck gefeiert. Es war zweifellos
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