Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
ein kolossaler Triumph für die katholische Kirche, dass Christina, die Königin des Schwedenreiches, die Tochter des Löwen aus dem Norden und eine der bekanntesten und meistgenannten unter Europas Monarchen, zum rechten Glauben übergetreten war. Die Freude hierüber war so groß, dass sie zweimal in die Ewige Stadt einziehen musste: das erste Mal am Abend des 21 . Dezember; die Straßen waren von Fackeln und Volksmassen gesäumt, und die berühmte Konvertitin saß in einer roten Prachtkarosse; das zweite Mal am 23 . Dezember zum Krachen von Böllerschüssen und mit allem gebührenden Pomp durch ein eigens für diese Gelegenheit umgebautes Stadttor – Christina selbst in einem einfachen grauen Gewand ohne Schmuck ritt auf einem weißen Pferd; die Menschen bemerkten, dass sie im Sattel saß wie ein Mann und dass sie ein Kleidungsstück trug, wie man es an einer Frau bis dahin selten oder noch nie gesehen hatte: ein Paar spitzenverzierte Reithosen. Seitdem war sie einer der Mittelpunkte in dem unüberschaubar reichen gesellschaftlichen Leben Roms. Sie konnte eins der vornehmsten Privathäuser der Stadt, den Palazzo Farnese, mieten, und in dessen Salons trafen sich italienische Aristokraten, ausländische Diplomaten und die Kardinäle der Kurie, um schöne und teure Geselligkeit mit ihr zu pflegen. Ein Engländer, der später einen der Musikabende besuchte, die sie jede Woche abhielt, merkte an, dass sie «klein, aber dennoch von einer sehr männlichen Haltung [war], einer der größten Intellekte und Geister dieser Zeit»: Sie ging ständig hin und her und unterhielt sich einmal mit diesem, dann wieder mit jenem und übertönte zumeist die armen Musikanten.
Auch Christina war zu dieser Zeit damit beschäftigt, sich durch alle Sehenswürdigkeiten und schönen Denkmäler Roms durchzuarbeiten. Indem sie sich ihrer Gesellschaft anschlossen, erhielten Erik und die Brüder Cronstierna die Möglichkeit, viele sonst schwer zugängliche «Raritäten» zu besichtigen. Unter anderem durfte Erik die Schädeldecken der Apostel Petrus und Paulus küssen, die in zwei Kirchen der Stadt sorgfältig versteckt waren – eine bemerkenswert katholische Geste.
Erik blieb nicht lange in Rom. Er wurde von Rastlosigkeit geplagt und wollte den Gedanken an eine Pilgerfahrt nach Jerusalem nicht aufgeben. Die neue Verpflichtung gegenüber den Brüdern Cronstierna scheint eher halbherzig gewesen zu sein, denn als er erfuhr, dass in der Stadt eine Gruppe von Pilgern auf dem Weg in das Heilige Land war, verließ er die beiden Freiherren aufs Neue. Offenbar war der Gedanke an die Wallfahrt bei ihm zur fixen Idee geworden. Er hatte einen Beschluss gefasst, «nicht nach Schweden zurückzukehren, bevor ich Jerusalem und Ägypten gesehen hatte», und er trug sich auch mit wilden Plänen, später über Syrien, Persien und Russland in die Heimat zurückzukehren.
Wie bei den beiden früheren Versuchen spielten Eriks Frömmigkeit und sein Erlebnishunger auch diesmal eine Rolle, aber der dritte Anlauf muss wohl in erster Linie vor dem Hintergrund der zuvor erwähnten Wahl zwischen ziviler und militärischer Karriere gesehen werden, vor der er nun stand. Schwedens Krieg mit Polen spielte sich in einem fernen Norden ab und war zu einem neuen Gräuelmärchen geworden, das nur an Umfang zu wachsen und an Hitze zuzunehmen schien. Dort winkte eine Karriere im Zeichen des Schwerts. Jerusalem dagegen stand für eine friedliche Lebensbahn, eine weitere Entwicklung seiner künstlerischen Talente. Es gibt Anzeichen dafür, dass er plante, eine Serie von Bildern mit Motiven aus Italien und dem Vorderen Orient zusammenzustellen, ein Projekt, das ihm sicher Ehre und die Unterstützung eines geldschweren Aristokraten mit mäzenatischen Neigungen einbringen könnte. Außerdem würde eine so spektakuläre Reise – vor allem, wenn sie mit einer, gelinde gesagt, mühsamen Heimreise abgeschlossen wurde, die ihn durch Persien und Russland führte – eine Möglichkeit sein, ein weiteres Stück friedlichen Ruhms zu erwerben.
Nach dem Osterfest 1656 verließ Erik mit einer größeren Gesellschaft von 40 Personen Rom. Sie reisten nach Süden in Richtung auf Neapel, durch eine an Bauwerken und schönen moosbewachsenen antiken Denkmälern reiche Gegend, und er notierte mit dem üblichen Blick des Nordländers für pflanzliche Üppigkeit alle exotischen Obstbäume entlang ihres Wegs. Die Strecke war teilweise bergig und unwegsam und außerdem gefährlich wegen der
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