Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
allgegenwärtigen Straßenräuber. Sie befanden sich nun in einem der Kerngebiete der antiken Geschichte, und Eriks Tagebuch wie seine Reisebeschreibung quellen über von einer Fülle von Hinweisen auf zahlreiche alte Bekannte aus dieser klassischen Vergangenheit: Hier wohnte Cicero, und dort wurde er geboren, an diesem Platz erblickte Kaiser Augustus das Licht der Welt, dort wurde Hannibal besiegt, und neben diesem Punkt errichtete Caligula seine bemerkenswerte Brücke, und dort opferte Aeneas seinen Trompeter Missenius den Göttern und so weiter und so weiter. Eriks atemlose Entdeckerfreude auf dieser Reise durch die antike Geschichte zeigt, wie weit seine eigenen Studien in diesem Fach ihn schon geführt haben; wie ein stiller Regen fallen seine Hinweise auf bekannte antike Autoren wie Tacitus, Plinius, Strabo, Livius, Seneca und Flavius Josephus. Dies zeigt, wie belesen er war, ist aber vor allem ein Reflex des Kults der Antike, der diese ganze Epoche durchströmte und ihr Wesen prägte.
Auch Neapel wurde zu einem wilden Gewirr von alten Kirchen und Gräbern berühmter Männer, die in halsbrecherischem Tempo besichtigt wurden, worauf sie rasch weiterzogen zum nahegelegenen Vesuv. Der Vulkan war praktisch seit dem 12 . Jahrhundert erloschen, war aber vor 25 Jahren wieder zum Leben erwacht. Damals hatten zuerst einige Beben die Gegend erschüttert, aber dann, am 15 . Dezember 1631 – im gleichen Monat, als Gustav Adolfs Truppen Mainz einnahmen –, erfolgte ein gigantischer Ausbruch, der den Vulkan spaltete. Ein Lavastrom ergoss sich aus seinem Inneren, der in weniger als einer Stunde das Meer erreichte und viele tausend Menschen tötete. Er war 1656 noch aktiv. Erik und seine Gesellschaft bestiegen den rauchenden Vulkan und besichtigten ihn «mit großem Staunen und unter noch größerer Gefahr».
Bisher war er der italienischen Landplage der Straßenräuberei entgangen, aber während des Ausflugs zum Vesuv wurde er zum ersten Mal persönlich betroffen. Vor der Ruinenstadt Torre Greco wurde die Gesellschaft von 16 bewaffneten Banditen überfallen, die ihnen ihre Kleidung und sonstige Wertgegenstände abnahmen. Es hätte beinah ein schlimmes Ende genommen, denn die Räuber misshandelten sie so, «daß wir beinah das Leben darangegeben hätten». Aber dieses Erlebnis dämpfte Eriks Entdeckerfreude nicht spürbar; mit Banditenüberfällen musste ein Reisender rechnen, besonders wenn er in Italien unterwegs war. Er schreibt im Tagebuch, dass sie «mit knapper Not zu Fuß» nach Neapel zurückgelangten, notiert aber anschließend mit strammer Unberührtheit die Strecke, die sie gingen, «zwei Meilen» [ 20 Kilometer; A.d.Ü.]. Bereits am nächsten Tag war Erik wieder auf den Beinen und auf neuen unerschrockenen Besichtigungsfahrten, und er besuchte unter anderem eine Grotte vor der Stadt, «wo Hunde und andere Tiere sofort sterben, und wenn man sie in den gleich daneben befindlichen See wirft, werden sie wieder lebendig».
Die Tage vergingen, und die Parade der Denkmäler in Quaderstein und Marmor ging weiter, bis es Zeit war, an Bord des Schiffes zu gehen, das nach Süden segelte. Sein Plan war, nach Sizilien überzusetzen und von dort mit einer anderen Schiffsgelegenheit über Malta nach Ägypten zu gelangen. Das Schiff hatte an die 25 Passagiere, die meisten davon Spanier und Italiener. Auch zwei deutsche Pilger waren dabei, die Erik – mit seinem gewohnten Talent, Freundschaften zu schließen – als Weggenossen für die Reise bis Jerusalem gefunden hatte. Anfangs hatten sie Gegenwind, doch dann ging es rasch nach Süden durch die Frühlingswärme, an Capri vorüber nach Sizilien, wo sie in Messina an Land gingen. Danach nahmen Erik und seine zwei deutschen Freunde den Landweg nach Palermo, wo sie eine neue, vorzügliche Galeere fanden, die sie nach Ägypten bringen sollte.
Nun geschah es, am Morgen des zweiten Tags. Am Horizont in Richtung der nordafrikanischen Küste tauchten sieben Segel auf. Als die Schiffe die Galeere sichteten, legten sie sogleich den Kurs um und hielten direkt auf sie zu.
Es waren Korsaren – Seeräuber.
Das 17 . Jahrhundert war ein goldenes Jahrhundert der Piraten, eine Zeit, in der die Seeräuberei zu einer wirklichen Großindustrie wurde. Alle Schiffe, die längere Strecken befuhren, waren daher bewaffnet und ständig auf Überfälle vorbereitet. Das Wort Pirat lässt ein Bild wildäugiger und bärtiger Herren mit breitem Totenkopfgrinsen vor uns erstehen, die den Tag nahmen, wie
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