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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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dass Kinder außerhalb des Elternhauses und von anderen Menschen als den leiblichen Eltern aufgezogen wurden. Dies konnte so aussehen, dass sie zu Verwandten oder zu anderen Familien gegeben wurden, entweder um dort aufzuwachsen, als seien sie die eigenen Kinder der neuen Pflegeeltern, oder um als Gesinde verdingt zu werden – dass auch kleine Kinder arbeiten sollten, war eine Selbstverständlichkeit. Die Rolle als Erzieher oder Versorger eines Kindes musste keineswegs den leiblichen Eltern vorbehalten bleiben, sie konnte auch eine eher formelle Pflicht sein, die auf jemanden in der Verwandtschaft oder im Freundeskreis überging, der bessere Möglichkeiten hatte, die Aufgabe zu bewältigen. Die Auffassung dieser Zeit von der Familie unterschied sich in vielen wichtigen Punkten von der heute herrschenden. Die Familie war zuallererst eine wirtschaftliche und soziale Einheit, ihre emotionale Funktion war von untergeordneter Bedeutung. Unter gewöhnlichen Leuten sprach man vom «Hausvolk», und zu dieser Gruppe rechnete man natürlich Knechte und Mägde, die zuweilen mit dem Namen ihres Hausherrn benannt wurden. (Das Wort «Familie» kam erst während des folgenden Jahrhunderts in Gebrauch.) Außerdem zählte vor allem die Sippe, weniger die Kleinfamilie. Jedes Individuum war durch die Bande des Bluts an die Sippe gebunden, und das Kind war nur ein Zweig am Baum der Sippe: Die Zweige wuchsen, manche vertrockneten und fielen ab, aber die Sippe bestand weiter. In diesem Sinne gehörte das Kind im gleichen Maß der Sippe an wie den Eltern.
    Die Kinder waren wichtig, vor allem als Arbeitskräfte und als spätere Versorger ihrer alternden Eltern, aber auch als Erben und als Spielsteine in komplizierten Heiratsmanövern zwischen den Sippen. Die Erziehung setzte früh ein. Das Kind wurde als widerspenstige Materie angesehen, die sorgfältiger und strenger Erziehung bedurfte, um nicht zu verderben. Ein Kind wurde als ein Kampfplatz betrachtet, wo das Gute und das Böse um die Herrschaft rangen, und es galt, dafür zu sorgen, dass die richtige Seite als Sieger aus dem Kampf hervorging. Ein schwedischer Adliger äußerte in einer Schrift vom Ende des 16 . Jahrhunderts die Meinung, «dieweil nicht alle von Natur gleich gut und fromm sein können, so kann doch Belehrung und Züchtigung sie auf die Dauer daran gewöhnen». Das unschuldige Kind gab es noch nicht. Manche meinten, die Erbsünde bringe es mit sich, dass auch Säuglinge als Sünder und unrein angesehen werden müssten – bevor sie getauft waren, waren sie ja nichts anderes als Heiden. Die Taufe war daher eine Art von Exorzismus, was die in der Zeit weit verbreiteten Vorstellungen erklärt, die besagten, dass es ganz ausgezeichnet sei, wenn ein Kind während der Taufe lauthals schrie, denn das bedeute, dass der Teufel aus seinem Körper fahre. Einer der Gründe für den merkwürdigen Brauch, Säuglinge so einzuwickeln, dass sie sorgfältig eingepackten Würsten glichen, war, dass die Kinder so am Kriechen gehindert wurden, ein Verhalten, das als hässlich und tierisch betrachtet wurde und deshalb natürlich unterbunden werden musste. (Ein anderer Grund war, dass die Kinder so leichter handhabbar waren. Man konnte sie einfach an einem Nagel oder an einem Ast aufhängen: So hielt man sie von den kalten und schmutzigen Fußböden fern und außerhalb der Reichweite von Tieren.) In unseren Tagen huldigen wir der Kindheit, aber im 17 . Jahrhundert wurde sie mit Misstrauen betrachtet. Sie galt als bedauerliche Phase, in der der Mensch hilflos war, seine Fähigkeiten beschränkt und seine Gedanken betrüblich wirr waren. Es war ein Stadium, aus dem man deshalb so schnell wie möglich befreit werden musste.
    Wir entnehmen dem, dass der Begriff der Kindheit recht unentwickelt war. Die Grenze zwischen Kind und Erwachsenem war nicht ganz klar – während Kinder oft wie Erwachsene arbeiten mussten, konnte man leicht Erwachsene finden, die wie Kinder spielten. Außerdem wurden nur die allerersten zarten Jahre, in denen das Kleine nicht ohne die ständige Hilfe eines anderen Menschen auskam, als die reine Kindheit gerechnet. Danach musste das Kind langsam lernen, die Bürden eines erwachsenen Menschen zu schultern. Und irgendwann im Alter zwischen fünf und sieben Jahren begann die Phase im Leben des Kindes, wo es aus dem Zustand des Kindseins, voll von allen tristen Irrungen der Kindheit, hinüberglitt in die Phase, in der es ein kleiner und schwacher Erwachsener wurde. Es war sicher

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