Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
kein Zufall, dass Erik aus dem Haus geschickt wurde, als er sich seinem fünften Geburtstag näherte. Die Bauernjungen begannen dann, mit hinaus auf den Acker zu gehen, die Mädchen, sich in den Tätigkeiten der Frauen im Haushalt zu üben. War man als Junge in eine adlige Familie geboren, wurde diese neue Phase dadurch markiert, dass man in eine Tracht gekleidet wurde, die eine Miniaturausgabe dessen war, was die Erwachsenen trugen, mit einem kleinen Kinderdegen und allem, was dazugehörte. Die Kinder waren bemerkenswert frühreif, was man auf den Bildern durch ihren altklugen und ein wenig traurigen Gesichtsausdruck hindurch ahnen kann. Überall, wo die Erwachsenen arbeiteten, sich vergnügten, liebten oder schlugen, auf dem Acker, in der Wirtsstube, im Schlafzimmer oder auf dem Schlachtfeld, da waren auch die Kinder dabei, Seite an Seite mit den Erwachsenen.
Das 17 . Jahrhundert war dennoch eine wichtige Zeit in der Geschichte der Kindheit, und dies zeigt sich auch in Eriks Leben. Langsam begann damals das Kind aus der dunklen Anonymität herauszutreten, die es seit dem Mittelalter umgeben hatte. Bis zu dieser Zeit waren die Kinder in das Erwachsenenalter hinübergeleitet worden, indem sie neben den Erwachsenen arbeiteten, mit anderen Worten, durch eine Art von Lehrzeit. Selbst wenn Kinder in allen Schichten noch lange auf diese Weise aufwuchsen, begann doch um diese Zeit in Europa eine neue Form der Bildung des Kindes zum Erwachsenen Einzug zu halten: die Schule. Der Wunsch, das Kind in eine besondere Institution zu schicken, wo es von den Erwachsenen getrennt ist und eine eigene Ausbildung erhält, ist Zeichen einer aufkommenden Einsicht von der Eigenart des Kindes. Diese Einsicht – die in erster Linie unter den höheren Schichten gepflegt wurde, für die Ausbildung ein Mittel zum gesellschaftlichen Aufstieg war – führte dazu, dass man anfing, die Kleinen in einer eigenen Welt einzukapseln, die schließlich zu unserer heutigen Kindheit werden sollte.
Diese Entdeckung des Kindes führte auch dazu, dass ihm eine ganz neue Aufmerksamkeit zuteil wurde, die von den Kindern selbst sicher nicht in allen Stücken als lobenswert erlebt wurde. Denn die Kleinen begannen, auf eine Weise überwacht, gezüchtigt und bestraft zu werden, die im Mittelalter undenkbar gewesen war. Vieles drehte sich darum, sie zu lehren, ohne Murren zu tun, was man ihnen sagte – in schwedischen Grabpredigten auf verstorbene Kinder aus dieser Zeit taucht gerade Gehorsam als die lobenswerteste Eigenschaft auf. Züchtigung und Strafe galten daher als unumgängliche Hilfsmittel jeglicher Erziehung, und jede übertriebene Milde musste vermieden werden. Eine häufig zitierte Redensart besagte: «Wer ohne Züchtigung lebt, stirbt ohne Ehre», was bedeutet, dass das Kind ohne Strafe verderben würde. Doch auch wenn gewisse Züchtigungen direkt brutale Formen annahmen und viele Kinder unter den Händen verständnisloser Erwachsener ein wahres Martyrium durchlitten, so bedeutet dies nicht, dass die Gewalt gegen die Kleinen keinerlei Grenzen kannte. Während dem Hausherrn das Recht zustand, alle seinem Haushalt angehörenden Personen handgreiflich zu züchtigen – also neben den Kindern auch das Gesinde und die eigene Ehefrau –, wurde doch zwischen erlaubter und sogar gebotener Züchtigung auf der einen und direkter Brutalität auf der anderen Seite eine scharfe Grenze gezogen. Weder Nachbarn noch die Gesellschaft als Ganzes oder der Staat tolerierten in Schweden übertriebene Gewalt innerhalb der Familie. Die Gerichte konnten eingreifen und einen tyrannischen Hausvater bestrafen, der sich an seinen Kindern oder seiner Ehefrau vergriffen hatte. Mit Maßen am besten. Traktate über Erziehung empfahlen den Eltern auch, «nicht im Zorn, sondern mit Besinnung zu züchtigen», und selbst volkstümliche Sprichwörter sangen das Lob des Maßhaltens: «Züchtigung ist gut, wenn im Maß sie bleibt.»
Diese Disziplinierung der Kinder war mit einem Wunsch verknüpft, um jeden Preis zu vermeiden, dass sie verwöhnt wurden. Stattdessen wollte man sie für ein strebsames Leben als Erwachsene abhärten. In Büchern über Kindererziehung wurde betont, dass die Kinder «von frühester Kindheit an sich an warm und kalt, gut und böse gewöhnen» sollten. Dass jegliche Verzärtelung der Kleinen zu vermeiden sei, wurde auch als Argument dafür benutzt, sie außerhalb des Elternhauses aufziehen und schulen zu lassen: Fremde würden sie am besten davor bewahren
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