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Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
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Reichstalern belohnt –, die Kanzlei des Kurfürsten, seine vergoldete Karosse sowie sein gesamtes Tafelsilber darunter.
    Der Kaiser war von den Nachrichten über die Schlacht bei Wittstock so entsetzt, dass er Gallas den Befehl gab, den Marsch auf Paris abzubrechen und sich stattdessen wieder ins deutsche Reich zu wenden. Zurück ließ Gallas ein vollständig verwüstetes Burgund. Nicht weniger als 86 Dörfer waren verödet, überall lagen die Äcker unbestellt und von Unkraut überwuchert, und in der Spur des Krieges folgte wie immer die Pest. 217 der 244 Bewohner des Dorfes Blagny bei Dijon starben im Jahr 1636 . Und die Kämpfe hörten nicht auf, nur weil die Armeen fortzogen. Banden bewaffneter Männer, die man im besten Fall Partisanen nennen könnte, zogen durchs Land und bekriegten mit großem Enthusiasmus einander und die Bevölkerung, und aus der Periode zwischen 1636 und 1643 (als ein Waffenstillstand dem Albtraum ein Ende machte) sind keine lokalen Rechenschaftsberichte oder Dokumente bewahrt. «Es ist», schreibt ein Historiker, «als habe die ganze Region aufgehört zu existieren.»
    Zu Hause in Schweden jubelten die vorher so verzagten Mitglieder der Vormundschaftsregierung. Lange hatten die Regierenden sich durch einen Nebel von enttäuschten Hoffnungen und Rückschlägen vorwärtsgetastet, auf eine Rettung zu, die man nur ahnen, aber nicht sehen konnte. Endlich eine gute Nachricht! Erleichtert verliehen sie Johan Banér und seinem Stabschef Lennart Torstensson große Besitzungen in Schweden wie in Deutschland und gaben Order, Goldketten und Konterfeis für 30 000 Reichstaler unter den Offizieren der Armee als Dank zu verteilen. Das Debakel von Nördlingen war gerächt, und das schwankende Renommee der Schweden war wieder auf festen Boden gestellt worden. Es mag sonderbar erscheinen, aber genau wie viele Privatpersonen ihre eigene Ehre höher bewerteten als das eigene Leben und das eigene Geld, so konnte die Rücksicht auf den Namen und den Ruhm des eigenen Reichs in der Politik eine große Rolle spielen. Ein Individuum, das seiner Ehre verlustig ging, wurde sogleich aus der Gruppe, der es angehörte – dem Stand, der Zunft, der Dorfgemeinschaft, der Sippe –, ausgeschlossen, was für einen Menschen des 17 . Jahrhunderts, der in, für und durch seine Gruppenzugehörigkeit lebte, ein schreckliches Urteil darstellte; ohne diese gab es ihn kaum. Vergleichbar damit war es eine Katastrophe, wenn ein Reich seine Ehre verlor. Dies war nicht nur Geschwätz – unter anderem war man der Ansicht, dass die Sicherheit eines Reiches darauf beruhte, dass sein guter Ruf nicht beeinträchtigt wurde. Vor dem Eingreifen in Deutschland hatten viele ganz aufrichtig gemeint, dass dieser Schritt um des guten Rufs und der Ehre Schwedens willen getan werden müsse. Und als nun praktisch jeder in Schweden wollte, dass man sich aus dem deutschen Sumpf zurückziehe, griff man zu dem gleichen Argument, um einen übereilten Rückzug zu verhindern.
    Doch ansonsten hatte die Schlacht erstaunlich wenig greifbare Folgen. Der dänische König Christian IV ., der alte Erbfeind, der dunkel und finster in den Kulissen herumgeschlichen war, seit Gustaf Adolfs Truppen auf Usedom an Land gewatet waren, ständig bestrebt, den einen oder anderen Knüppel zwischen die Speichen des schwedischen Triumphwagens zu stecken, schreckte ein wenig zurück und sah ein, dass es noch nicht an der Zeit war, den uralten Streit mit dem irritierenden Nachbarn im Norden wiederaufzunehmen. Die Franzosen erhielten Hilfe bei der Rettung ihrer Hauptstadt und bekamen auf diese Weise einen gewissen Gegenwert zurück für all die Subsidien, die im Lauf dieser langen Jahre nach Schweden geflossen waren. Aber der schwedische Krebsgang wurde durch die Schlacht bei Wittstock nicht aufgehalten. Im Gegenteil: Er setzte sich immer weiter fort.
     
    Im Jahre 1637 wurden die Schweden auf das schmale Stück Land an der Ostsee zurückgedrängt, das «der Küstenstreifen» genannt wurde.
    Banérs Armee stand zwar am Beginn des Jahres vor Leipzig, wohin sie sich durchgeschlagen hatte, indem sie umständlich zwischen all den verwüsteten Städten und betrüblich leergegessenen Gebieten zwischen Brandenburg und Sachsen hindurchgekreuzt war. Alles lief auf eine Erstürmung hinaus; zwei große, eingegrabene Minen gingen auf beiden Seiten des Grimmatores in die Luft, ein zehn Meter breites Stück der Mauer wurde niedergeschossen, ein Hagel von Feuerbällen und glühenden Kugeln

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