Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
Französische Truppen konnten im letzten Augenblick die spanische Flutwelle aufhalten, doch einen Monat später kam die besorgnisweckende Nachricht, dass ein weiteres habsburgisches Heer in Frankreich eingefallen war. Eine kaiserliche Armee unter dem Befehl von Matthias Gallas war in Burgund einmarschiert und auf dem Weg nach Dijon, 250 Kilometer südöstlich von Paris. (Gallas, ein Deutscher, war schon in die Jahre gekommen, eine vom Alkohol schwer gezeichnete Gestalt; er verdankte seinen Posten mehr einer hündischen Treue zum Kaiser als seiner Feldherrenbegabung, die hauptsächlich nomineller Natur war; sein Beiname war «der Heerverderber».) Bald erreichte ihn indessen eine Botschaft des Kaisers, die ihn veranlasste, seine Offensive in Burgund abzubrechen.
Ein großes Heer, das aus kaiserlichen Truppen und den ehemaligen Verbündeten der Schweden, den Sachsen, bestand, war zuvor nach Brandenburg eingedrungen. (Einer seiner Befehlshaber war der wankelmütige sächsische Kurfürst Johann Georg, der sich endlich dazu durchgerungen hatte zu versuchen, die Schweden aus Deutschland hinauszuwerfen.) Dies war für die Schweden natürlich Grund zur Besorgnis, weil es bedeutete, dass der Feind ihren Versorgungsbasen an der Ostsee immer näher kam. Die zahlenmäßig unterlegene schwedische Armee unter Johan Banér hätte jeder militärischen Klugheit entsprechend nach Norden ausweichen sollen, aber er zögerte. Der Widerwille und das Misstrauen gegenüber den Schweden waren so groß, dass ein weiterer Rückzug den noch verbleibenden kleinen Rest von Schwedens Machtstellung in Deutschland endgültig aufs Spiel zu setzen drohte. Außerdem konnte man nicht unbegrenzt damit fortfahren, das Land zu wechseln, um Zeit zu gewinnen. Banér beschloss stattdessen, dem Feind auf den Leib zu rücken und eine Schlacht zu wagen.
Johan Banér war eine merkwürdige Gestalt. Es fällt schwer, ihn zu mögen. 1636 war er 40 Jahre alt, untersetzt, rotnasig und mit schütterem Haar, einem sinnlichen Mund und einem herrischen Zug um die Augen, ein narbenbedeckter Haudegen, dem ein hartes Leben in Feldlagern und auf Schlachtfeldern die Seele verfinstert und den Körper ruiniert hatte,
… voller Flüche, zottig wie ein Bär,
ehrbesessen, kampfeslüstern,
sucht die Luftblase Ehre mitten
im Schlund der Kanonen.
Die seinem Kommando Unterstellten umsorgte er mit dem aufrichtigen patriarchalischen Gefühl seiner Zeit, und dementsprechend forderte er blinden Gehorsam. Die Leiden der deutschen Bevölkerung bereiteten ihm wenig Kopfzerbrechen, und häufig ließ er Übergriffe seiner Truppen durchgehen: Hauptsache war, dass die Armee das Ihre bekam. (Wie so viele andere hohe Befehlshaber hatte er sich mit Hilfe von Kriegsbeute ein Vermögen geschaffen, das trotz einer hemmungslosen Spielleidenschaft einen imponierenden Umfang aufwies.) Durch seine Rücksichtslosigkeit und das Unvermögen, seine Soldateska zu kontrollieren, trug er dazu bei, die Spirale von Brutalität und Zerstörung in diesem Krieg noch ein paar Umdrehungen tiefer in den Abgrund zu schrauben. Banérs Persönlichkeit weist viele typische Züge der Menschen in diesem 17 . Jahrhundert auf, wenn auch in verstärkter und vergröberter Form. Wie die meisten Zeitgenossen vereinigte er in sich starke Gegensätze. Er war cholerisch, streitsüchtig und launisch, aber auch leicht gerührt und auffallend empfindsam. Er konnte sich ebenso leicht in hemmungslosen Weinkrämpfen verlieren wie in wilden und maßlosen Wutausbrüchen. Und wie so viele andere in dieser sinnlichen Epoche war er, wie man sagt, «genußsüchtig». Er verfügte über einen starken Sexualtrieb und war stets hinter Frauen her, und es machte ihm auch nichts aus, zu einer der zahlreichen Feldhuren zu gehen, die die Armee begleiteten. Seine Fresslust war maßlos und seine Sauflust legendär. Banér war leicht depressiv veranlagt, und wenn die Sorgen und die Hindernisse sich allzu hoch vor ihm auftürmten, konnte er sich in sein Zelt zurückziehen und saufen, wüst und ausgedehnt. Dies war nicht allzu ungewöhnlich, zumal nicht unter Schweden, die als ein Volk angesehen wurden, das alkoholischen Getränken in besonderem Maße zugetan war; ein Diplomat aus Venedig sagte von ihm, dass er «zur Trunksucht neigte, ein besonderes Kennzeichen der ganzen Nation, in deren Natur es liegt». Banér war Alkoholiker – es wird erzählt, dass ein französischer Abgesandter, der mit ihm verhandeln sollte, hübsch warten musste, weil Banér
Weitere Kostenlose Bücher