Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
prasselte auf die Stadt nieder, und dann eines Tages wurden Sturmkolonnen aufgestellt, Männer, die kurze Piken, Handgranaten, Sturmleitern und große Zimmermannsäxte trugen, maßen die Mauer mit den Blicken. Da ließ das Feuer auf einmal nach, die Nacht brach herein, und am nächsten Morgen konnten die Einwohner Leipzigs über die Zinnen der Mauern blicken und zu ihrer Verwunderung feststellen, dass die Schweden … abmarschiert waren. Die Ursache war, dass Sachsen und Kaiserliche – nach neuen Rüstungsanstrengungen und einem emsigen Ausbessern und Flicken – nun wieder Druck machten. Banérs Armee wich zurück nach Torgau, wo ein wichtiger Elbübergang lag, sammelte Vorräte und hob Befestigungen aus. Solange man diese Stellung halten konnte, war Sachsen bedroht und der Küstenstreifen gesichert. Währenddessen schloss sich der Ring der Gegner langsam um die Schweden. Als Gallas mit seinem Heer hinzustieß, beliefen sich die feindlichen Streitkräfte auf etwa 47 000 Mann, während Banér nur über rund 14 000 Mann verfügte. Wieder einmal sah es so aus, als sollte eine einfache militärische Arithmetik die Entscheidung bringen. Die Gegner bauten auf beiden Seiten von Torgau Brücken. Banér erkannte, dass sie im Begriff waren, einen Schraubstock um sein Heer herum aufzubauen, der es ohne Anstrengung und ohne Zögern zermalmen würde.
Der Zustand der schwedischen Armee war besorgniserregend. Zwar hatte man frisch ausgehobene reichsschwedische und finnische Soldaten zur Verstärkung bekommen, aber Banér glaubte, dass dies wenig nützte. Seit vielen Jahren galt die Regel, dass nationalschwedische Verbände in erster Linie als Garnisonstruppen in verschiedenen Befestigungen und Städten verwendet wurden. Sie wurden als verlässlicher angesehen als die launische deutsche Soldateska. Doch zogen Feldherren wie Banér altgediente deutsche Berufskrieger vor, wenn es um Schlachten, Belagerungen und Rückmärsche ging. Man hielt sie auch für besser als die Scharen angeworbener Engländer und Schotten, die dann und wann das ausgedünnte schwedische Heer auffüllten. Die mageren und abgerissenen, aber erfahrenen Schweden und Finnen, die einst bei Breitenfeld Tilly und Europa in Erstaunen versetzt hatten, waren inzwischen weitgehend verloren: verschwunden auf Posten und Patrouillen, verhungert in Biwaks, auf Märschen davongelaufen, in Quartieren gestorben, bei Erstürmungen gefangen genommen, von der Futtersuche nicht zurückgekehrt, in Schlachten verstümmelt: verscharrt, abgedankt, am Ende. Die Kompanien hatten sich mehrmals geleert und waren wieder aufgefüllt worden. Die Veteranen waren fort, und die Neuen, die an ihre Stelle traten, waren völlig unerfahren und tendierten außerdem in einem erschreckenden Ausmaß dazu, bei Epidemien wegzusterben – eine Tendenz, die sich durch die Nachlässigkeit, die verschiedene höhere Offiziere gegenüber den immer geringer geachteten schwedischen Bauernsoldaten an den Tag legten, nur verstärken konnte. Es war stets so gewesen, dass die nationalschwedischen Verbände bei ihrer Ankunft in Deutschland einer Auslese unterlagen, wenn die Neuankömmlinge zum ersten Mal ihre Nase in den Schmutz und die Krankheiten des Feldlagers steckten. Es mangelte immer an Hygiene in diesen großen Ansammlungen von Menschen und Tieren, besonders wenn das Lager lange Zeit am gleichen Platz lag. Überall konnte man in Kot und Exkremente treten, und die aufgedunsenen Überreste von Menschen und Tieren wurden lange unbedeckt gelassen. Es ist nicht verwunderlich, dass ein Militärlager, wie ein Arzt im 17 . Jahrhundert schreibt, «so widerlich stinken [konnte], daß der Gestank von Charons Grotte nicht schlimmer hätte sein können» – und diese Feststellung stammt aus einer Zeit, als man an schlechten Geruch durchaus gewöhnt war. Es pflegte ungefähr einen Monat zu dauern, in dem die Sterblichkeit sprunghaft anstieg, aber diejenigen, die nach diesem ersten bakteriologischen Stahlbad noch lebten, hatten in der Regel eine solche Widerstandskraft, dass man von ihnen zukünftig guten Dienst erwarten konnte. So war es nicht mehr. Nun mahlte das Mühlrad der Krankheiten unter den Neuangekommenen drauflos, es war «ein ununterbrochenes grauenvolles Elend, das kein Ende nehmen wollte». Die Verluste unter den Offizieren waren ebenfalls ungewöhnlich hoch gewesen. Viele waren gefallen oder in Gefangenschaft geraten, und ein nicht unbedeutender Teil war bei internen Streitigkeiten und Duellen getötet
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