Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Titel: Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Englund
Vom Netzwerk:
worden. Außerdem hatte Banér viele erfahrene Offiziere verloren, die auf Befehl von oben abgedankt hatten, nur um für rosige und von Standesdünkel erfüllte adlige Jünglinge aus Schweden Platz zu machen, von denen viele «nicht einmal wert waren, mit Verlaub gesagt, einem rechtschaffenen Soldaten die Stiefel auszuziehen», wie Banér in einem Brief an Axel Oxenstierna murrte.
    Als Erstes blieb die Post aus Schweden aus, die auf den unsicheren Wegen nicht mehr durchkam, danach hörte die Zufuhr von Lebensmitteln auf. Als das Frühjahr langsam in eine quälend stickige Vorsommerwärme überging, griffen die Krankheiten noch weiter um sich. Die Umgebung der Befestigungen war außerdem übersät mit unbegrabenen Toten, die in der Hitze zum Himmel stanken. Und was noch schlimmer war: Es gab immer größere Probleme mit dem Sold. Immer mehr Soldaten desertierten und mit ihnen auch eine Anzahl höherer Offiziere. Und wenn Banér von den ausgehobenen Befestigungsanlagen ausspähte, sah er nur immer kompakter werdende Massen feindlicher Soldaten in so gut wie jeder Himmelsrichtung. So wurde in der Nacht auf den 18 . Juni Feuer an alle Gebäude und Vorräte gelegt, woraufhin Banér 300 000 Liter Wein (der zuvor aus einem der Weinkeller des Kurfürsten geraubt worden war) an die Truppen verteilen ließ, und danach wurde der Rückzug über die Elbe eingeleitet.
    Nun ging es in Eilmärschen nach Norden, auf einem einzigen, gewundenen Weg, durch Wälder und Sumpfgebiete, über gefährlich schmale Dämme, schlechte Furten und schwankende kleine Holzbrücken – in der Sommerhitze verfolgt von großen feindlichen Verbänden, die ihnen teils hechelnd auf den Fersen waren, teils auf zwei parallel verlaufenden Wegen zur Rechten und zur Linken der Retirierenden vorwärtsdrängten und die ganze Zeit versuchten, ihnen den Weg abzuschneiden. Die Sachsen und die Kaiserlichen waren wie ein großer Polyp, der immer wieder seine tastenden Fangarme ausstreckt, um einen Fisch zu fangen, der sich mit wild schlagendem Schwanz und um sich beißend im schützenden Seegras windet.
    Die Katastrophe war oft nur eine Frage von Stunden – denn würde das Heer gestellt, würde es von den überlegenen Verfolgern vernichtet werden, und dann wäre es mit der schwedischen Herrschaft in Deutschland ein für alle Mal vorbei –, doch Banér erwies sich als Meister in Finten und Ausweichmanövern, und seine langen Kolonnen von Pferden, Kanonen, schwer beladenen Trosswagen und verschwitzten Männern und Frauen wanden sich immer wieder aus drohenden Fallen und bewegten sich in Sprüngen von Position zu Position, Meile um Meile, nach Nordosten. Bei Lübben rieb seine Reiterei einen Verband von Kroaten und Dragonern auf, die sich ihm in den Weg stellten. Bei Jüterbog holte der Feind die schwedische Nachhut ein: 600 Mann wurden niedergemacht, 400 gefangen genommen; beim See in Lieberose gab es wieder Gefechtskontakt, aber ein Gegenangriff trieb die Gegner ins Wasser, und viele von ihnen ertranken; die ganze Zeit gingen Wagen zu Bruch oder fuhren sich fest und wurden dann angezündet; manchmal fehlte nicht viel, dass unter den Soldaten, Knechten und Soldatenfrauen Panik ausbrach, wenn der Ruf, dass der Feind herandränge, die heiße Luft durchzog, doch jedes Mal kämpfte man sich mit krachenden Musketensalven und gezogenen Degen frei. Dennoch: Die Verfolger marschierten auf besseren Wegen und konnten sich langsam an der schwedischen Armee vorbeischieben, sodass sie nach einiger Zeit nördlich von ihr standen.
    Am 27 . Juni schien alles vorbei zu sein. Als Banér selbst an der Spitze einer großen Abteilung mit Reiterei früh am Morgen über die Brücke bei Landsberg ritt, wartete eine unangenehme Überraschung auf sie. Auf den Feldern vor der Stadt stand der Hauptteil der verfolgenden Armee kampfbereit, in einer fast vier Kilometer weiten Linie aufgestellt; da sah man die kaiserlichen Regimenter, Truppen der Katholischen Liga sowie sächsische, brandenburgische, lüneburgische und hessische Einheiten; eine Parade aller deutschen Feinde und ehemaligen Freunde Schwedens zugleich. Sie hatten die Schweden schließlich eingeholt, und der Übergang über die Warthe war versperrt. Es gab jedoch eine Möglichkeit: Die Grenze nach Polen war nur 40 Kilometer entfernt. Vielleicht lag dort die Rettung? Verschiedene Vorbereitungen wurden getroffen. Unter anderem wurde Banérs Ehefrau Elisabeth Juliana mit den anderen hübsch aufgeputzten Offiziersfrauen und den wertvollsten

Weitere Kostenlose Bücher