Verwüstung - Eine Geschichte des Dreißigjährigen Krieges
so besinnungslos betrunken war, dass es vier Tage dauerte, bis er wieder ansprechbar war. Sein großer Gegner, der kaiserliche Feldmarschall Gallas, war ebenfalls ein notorischer Trunkenbold, aber der Unterschied zwischen den beiden war, dass Banér in der Regel in betrunkenem Zustand seinen Pflichten ausgezeichnet nachkam, Gallas aber selbst in stocknüchternem Zustand inkompetent war. Denn es ist eine Tatsache, dass Banér, seinen Lastern und Fehlern zum Trotz, ein ausgezeichneter, ja nahezu genialer Feldherr war. Er war konsequent und genau und hatte eine bemerkenswerte Fähigkeit, seinen Untergebenen eine Mischung von Respekt, Furcht und Loyalität einzuflößen. Wie alle Feldherren in dieser Zeit vermied er Kampfhandlungen, so gut es ging – was ihm die säuerliche Kritik des militärisch recht unkundigen Axel Oxenstierna eintrug; Belagerungen waren seine Schwäche, aber die schwierige Kunst des Manöverkriegs beherrschte er bis zur Vollendung. Während des größten Teils seiner Zeit als Oberbefehlshaber musste er sich damit begnügen, mit geringen und unzulänglichen Mitteln Krieg zu führen. Nie standen so riesige Heere wie die Gustav Adolfs unter seinem Befehl. Seine rasche Auffassungsgabe, Entschlussfreudigkeit und Kühnheit machten ihn stattdessen zu einer Art Meister darin, aus unterlegener Position mit äußerst schäbigen und unansehnlichen Truppen zu kämpfen. Die Gegner lernten schnell seine Phantasie und seinen sicheren Blick für Blößen und Öffnungen fürchten, die er ohne zu zögern zu plötzlichen Ausfällen nutzte, die mit der Raserei eines verwundeten Wildebers ausgeführt wurden.
Einen solchen unerwarteten Gegenstoß arrangierte er jetzt im nördlichen Brandenburg. Elf Tage lang spielte sich dort ein merkwürdiges Schauspiel ab. Wie zwei Boxer umkreisten die zwei Heere einander; die schwedische Armee wie ein verbissener und selbstbewusster Fliegengewichtler, der immer wieder den Schlagabtausch sucht, während der großgewachsene Widersacher – verwirrt und nicht wenig verängstigt durch seinen aggressiven Gegner – immer wieder ausweicht. Aber am Samstag, dem 24 . September, stellte Banérs Heer seinen Gegner in dem hügeligen, bewaldeten Terrain unmittelbar südlich der kleinen Stadt Wittstock.
Wittstock 1636
Die Kaiserlichen und die Sachsen hatten beschlossen, ihre Gegner auf einigen sandigen Höhen, dem Scharfenberg, zu empfangen; der Sicherheit halber hatten sie einen Teil der Front mit sechs in aller Hast gegrabenen Schanzen und einer Mauer zusammengeketteter Trosswagen gedeckt. Ihre Befehlshaber warteten lange darauf, dass sich die schwedischen Truppen auf den offenen, sumpfigen Feldern vor ihrer Front offenbarten, um sich wie bei Nördlingen in geordneten Formationen von der zahlreichen Artillerie niedermähen zu lassen. Aber stattdessen kam die Meldung, dass die schwedischen Truppen völlig unvermutet und gegen herkömmlichen Brauch durch einen Wald aufmarschiert waren, an den sich der linke Flügel der vereinigten Armeen anschloss, und dass sie schon gut geordnet bereitstanden, um die kaiserlichen und sächsischen Truppen zu überflügeln! Letztere waren daher gezwungen, ihre schönen Schanzen und ihre feine Wagenburg zu verlassen und gegen die angreifenden Schweden umzuschwenken. Dann begann die Schlacht.
Sie dauerte Stunde um Stunde. Wie gewöhnlich war es kein richtig geordneter Kampf, sondern eher nur ein rhapsodischer Wirrwarr von Schwadronen und Brigaden, die ein ums andere Mal im Rauch aufeinanderprallten. Beide Seiten verfügten über große Kavallerieverbände, und diese waren bald in eins der blutigsten und ausgedehntesten Reitereigefechte des ganzen Krieges verbissen – Schwadronen prallten für einige kurze, verwirrte Augenblicke aufeinander, während die wogenden Reiter (die Gesichter schwarz von Pulverstaub und weiß vor Schrecken) wild mit den Degen in die Luft hieben und ihre schweren Pistolen aufeinander abfeuerten: Dann kämpften sie sich frei, wie Ringer, ordneten ihr Glied und ritten aufs Neue an. Oft entschieden die Pferde über die Dauer der Schlacht. Sie hielten in der Regel nicht länger als vier, fünf Stunden Kampf durch, dann musste der Verband aus dem Feuer genommen werden. Über dem Ganzen waren das Dröhnen der Schüsse, das Klappern der Harnische, das Splittern von Piken, das Wirbeln von Trommeln und die Silbertöne von Trompeten und Pfeifen zu hören, gemischt mit den Schreien der Verwundeten und Rufen der Kämpfenden. (Feldrufe waren eine
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