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Verwüstung

Verwüstung

Titel: Verwüstung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T. J. MacGregor
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klein, präzise geformt und rund wie ein Pokerchip. Der Wind und der Regen, die grausam um das Auge kreisten, erschienen Annie undurchdringlich, als hätte die Windgeschwindigkeit den Sturm irgendwie in einen festen Gegenstand verwandelt. Sein Weg in den letzten acht Stunden war instabil geworden. Manchmal bog er ein wenig nach Süden ab, dann nach Norden, dann kehrte er zurück auf den ursprünglichen Weg, derzeit war er direkt zu den Keys unterwegs. Es war, als würde Danielle magnetisch vom Bereich der größten Angst angezogen.
    Die statistischen Angaben erschienen auf dem Bildschirm. Die Geschwindigkeit der Vorwärtsbewegung hatte ein wenig abgenommen, die Winde lagen stetig bei 260, der Zentraldruck war auf 924 gefallen, nur zwei Millibar über Andrew liegend, als er über Homestead hinweggefegt war. Das allein ängstigte Annie. Die Winde erstreckten sich vom Auge aus gut hundert Kilometer, doch der Wettermann sagte, Danielle schöbe zudem noch eine Schlechtwetterfront vor sich her. Eine Flutwelle von etwa viereinhalb bis sechs Metern wurde erwartet.
    Sie beugte sich zum Fernseher und schnupperte, aber natürlich hatte der Sturm auf dem Bildschirm keinen Geruch. Sie drückte ihre Hände auf den Bildschirm, wie sie es bei ihrer Mutter gesehen hatte, nahm aber nichts wahr. Sie schloss die Augen und versuchte, in der Büroluft einen Duft zu finden, der zu Danielle gehören könnte. Doch alles, was sie roch, waren ein bisschen Staub und der Regen.
    »Hey, Mädchen.«
    »Shep, hast du mich erschreckt.« Er war durch den Lieferanteneingang an der Seite gekommen, wo der Lieferwagen, der zum Laden gehörte, stand.
    Auch er starrte jetzt auf den Fernsehbildschirm.
    »Es ist schlimm«, flüsterte Annie. »Wir hätten abhauen sollen.«
    »Das wäre schlimmer. Sieh nur.«
    Sheppard schaltete auf einen Sender aus Miami, und sie sahen Luftaufnahmen von der zweispurigen Straße über die Keys. Beide Fahrbahnen waren jetzt nach Norden freigegeben und völlig verstopft mit Autos, Trucks, Geländewagen, Wohnmobilen, Wohnwagen, und viele zogen auch noch Boote. Auf beiden Seiten der schmalen Straße flatterten Palmen im Wind wie Flaggen. Das Wasser war aufgewühlt, voll weißer Wellenkämme.
    »Und wir haben noch nicht einmal Flut«, sagte Sheppard. »Die kommt erst heute Nacht.«
    »Mein Gott«, flüsterte sie und fuhr mit dem Finger über den Bildschirm, sie folgte der Straße. »Jemand muss etwas tun, Shep.«
    » FEMA wird eine Notunterkunft auf Sugarloaf einrichten, in der neuen Schule, um die Last zu verringern, und vielleicht noch eine etwas weiter nördlich, auf Marathon. Die Notunterkunft auf Sugarloaf ist wahrscheinlich ein großer Fehler, wenn man Danielles Richtung in Betracht zieht, aber auf der Straße zu sein wäre noch schlimmer.«
    Sheppards Stimme verhallte wie ein Echo. In ihren Ohren klingelte es, das Blut rauschte durch ihren Schädel, und ihre Finger, die auf dem Bildschirm klebten, entwickelten ein Eigenleben. Sie umkreisten einen Bereich um Bahia Honda …
    … und sie sieht die Brücke von Bahia Honda zusammenbrechen, Autos stürzen durch die nasse Dunkelheit, manche überschlagen sich, die Menschen in ihrem Inneren kreischen, schreien … manche springen raus … Und der Geruch, mein Gott, der Geruch von Ozon, Strom, Gewalt, Algen …
    Entsetzt bemühte sich Annie, ihre Hand vom Bildschirm zu lösen, aber es schien, als wären ihre Nervenenden damit verbunden. Ihre Muskeln weigerten sich zu gehorchen, und ihre Finger drückten mit einer solchen Kraft auf das Glas, dass ihre Fingernägel weiß wurden. Sie wusste, was geschah – indem sie den Bildschirm berührte, berührte sie die Zukunft. Sie fuhr mit der Kraft eines elektrischen Schlages in ihre Finger und zwang ihre Hand, sich zu bewegen, ihre Finger fuhren die Straße entlang an eine Stelle zwischen Sugarloaf Key und Bahia Honda …
    … und eine riesige Wand aus Wasser, gekrönt von weißen Kuppen, scheint sich aus der Dunkelheit aufzubäumen wie ein Meeresungeheuer, kracht auf die Straße und reißt alles mit sich, Bäume, Autos, Menschen …
    Sie keuchte vor Entsetzen, und dann schnürte es ihr den Hals zu, doch ihre Finger klebten weiter am Bildschirm, sie bewegten sich jetzt über das Wasser nach Tango Key und zwangen sie zu sehen …
    … wie die rechte Ecke des Anlegers in Tango wegbricht, dann innerhalb von Sekunden der nächste Teil, noch einer und noch einer, wie eine Reihe Dominosteine. Eine riesige Flutwelle steigt hoch, und Annie folgt ihr

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