Verwüstung
anders überlege, wenn ich da draußen bin, schicke ich dir eine SMS .«
»Aber das Netz funktioniert nicht.«
»Ich schaffe das.«
»Was ist mit Nana?«
Mittlerweile dürfte Nadine mit Klebeband gefesselt sein und könnte nicht einmal an ihr Handy kommen, wenn Franklin es nicht gefunden hatte. Würde es bei Funkverkehr vibrieren? Sie wusste es nicht.
»Nadine wird tun, was sie kann.«
»Ich habe von Shep gehört. Er ist in einer Hütte im Naturschutzgebiet. Er hat mir den Weg beschrieben. Dillard, der Sheriff und Goot sind auch dort. Ich habe ihm gesagt, was hier geschehen ist. Er hat das Handy von jemand anders.«
Annie ratterte die Handynummer herunter, und Mira merkte sie sich. Die Tatsache, dass Sheppard wusste, wo die Gangster waren, beruhigte sie nicht im Geringsten. Niemand würde jetzt zu ihrer Rettung kommen. Vergiss weiße Ritter im Geländewagen.
»Lass dein Handy an. Ich bin unterwegs. Eu coosi dao, Suki «
» Eu coosi dao, Mikono. « Dann, mit einer leisen, verängstigten Stimme setzte sie hinzu: »Mehr als Google, Mom. So sehr liebe ich dich.«
Mehr als Google: Mira lächelte. Früher war es mehr als unendlich, doch jetzt war nichts mehr größer als Google. »Ich auch«, flüsterte Mira.
Sie legten auf, und Mira rief den Text-Editor ihres Handys auf und bereitete zwei Nachrichten vor: Garage öffnen und Fast da. Sie speicherte sie unter Entwürfe. Dann schickte sie eine Textnachricht an Sheppard, an die Handynummer, die Annie ihr genannt hatte, bekam aber wieder die Anzeige Kein Empfang. Sie würde alle paar Minuten den Senden- Knopf drücken, nahm sie sich vor und schob dann ihr Handy und das Ladegerät in die kleine Reißverschlusstasche ihres Rucksacks.
Mira öffnete die Schlösser am oberen Ende des Fensters und schob es hoch. Viele der Badezimmer in den neueren Häusern Floridas hatten entweder keine Fenster oder bloß noch Milchglasscheiben. Wegen der Privatsphäre, denn der Trend ging, was die meisten Neubaugebiete anging, dahin, so dicht wie möglich an den Grundstücksgrenzen zu bauen, sodass nur ein bis eineinhalb Meter bis zum nächsten Haus blieben. So verdienten die Bauerschließungsfirmen wesentlich mehr Geld. Aber ihr Haus stand auf einem großen Grundstück ganz abgeschieden, deswegen war das Badezimmerfenster groß, es reichte von sechzig Zentimetern über dem Boden bis knapp unter die Dachkante. Es war offensichtlich nicht das Originalfenster, und der Mann, der die Faltläden anfertigte, hatte die ungewöhnlichen Maße kommentiert. Krumme Maße statt glatter Zehnersprünge, irgend so etwas. Kein Wunder, dass die Läden für das Haus acht Riesen gekostet hatten. Und sie waren nicht einmal elektrisch.
Viele Leute auf den Keys konnten sich nicht einmal Sperrholz für die Fenster leisten, ganz zu schweigen von Läden. Was machten die? Verwendeten sie Klebeband? Es hieß, wenn man ein großes Kreuz aus Klebeband auf jedes Fenster klebte, würde das Glas nicht splittern. Das war ungefähr genauso sinnvoll wie damals die Ansage der Homeland-Security, dass die Bürger sich große Plastikfolien und Klebeband kaufen sollten, um gegen einen Angriff mit Biowaffen geschützt zu sein. Aber das große Klebe- X gab Menschen, die sich nichts anderes leisten konnten, Hoffnung.
Und in diesem Moment begann etwas in ihrem Bewusstsein aufzutauchen, ein Bild der neuen Schule in Sugarloaf. Etwas Schlimmes.
Das Dach flog weg …
Mira errichtete augenblicklich eine Mauer, um das Bild auszublenden. Dennoch fluteten Stückchen hindurch –Dachziegel flogen durch den dunklen Wind, Menschen schrien, Wasser ergoss sich in die Schule …
Nicht weiter.
Die Bilder verblassten.
Warum konnte sie so mühelos etwas über eine Schule in fünfzig Kilometer Entfernung wahrnehmen, aber nichts über ihre eigene Lage?
Durch das geöffnete Fenster fuhr Mira mit den Fingern über die Innenseite des Faltladens, sie suchte nach den Riegeln, die es ihr erlaubten, ihn von innen zu öffnen. Die Riegel klickten, sie öffnete den Laden etwa dreißig Zentimeter, und Wind und Regen jaulten durch die Öffnung, peitschten ihr in Gesicht und Augen, und der Sturm rüttelte an der Fensterscheibe, ließ die Tür beben, und schüttelte die Büsche vor dem Fenster. Mira sah sich plötzlich draußen reglos auf dem Boden liegen …
Sie riss die Hände weg von dem Laden, erschrocken darüber, dass sie hellseherische Informationen über sich selbst wahrgenommen hatte. War sie verletzt oder tot gewesen? Sie wusste es nicht,
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