Verwüstung
konnte es nicht sagen. Aber sie konnte die Warnung auch nicht ignorieren. Sie durfte es nicht riskieren, durch das Fenster zu klettern. Sie stand noch einen Augenblick da, der Regen blies durch die schmale Öffnung des Ladens. Das Wasser sammelte sich auf dem Boden, dann schloss sie schnell den Laden und das Fenster.
Der Dachboden, durch die Luke im Schrank.
Sie war nicht einmal sicher, ob sie durch diese Luke passen würde. Sie war noch nie vom Schrank aus auf den Dachboden gestiegen.
Aber was nicht passt, wird passend gemacht. Schnell.
20
Vielleicht lag es an der Müdigkeit, dachte Sheppard, aber ihm kam es vor, als hätte der Wind zugenommen, der Regen trommelte auf die metallene Falltür, und alles im Keller hallte, sang, zitterte.
Kümmere dich nicht darum. Iss.
Er schaute auf das Essen vor sich. Okay, Dillard war kein Sternekoch. Die Suppe war kaum lauwarm, das Sandwich einfach nur Thunfisch – kein Sellerie, keine Radieschen, kein Paprika, keine Gurken, bloß ein bisschen Mayo. Aber Sheppard kam es vor wie ein Festessen. Er hatte nichts mehr gegessen seit – wann eigentlich? Frühstück vor Anbruch der Dämmerung? Er konnte sich nicht erinnern.
Aus dem Funkgerät quollen weiter Rauschen, Stimmen, inoffizielle Berichte über Danielle. Dann und wann wurde es still, wenn das Signal verloren ging. Sheppard trug das Funkgerät auf die Treppe, näher an die Tür. Keine weiteren Informationen von Ralph.
Emison stöhnte, und das Licht flackerte, was Sheppard daran erinnerte, dass der Generator nicht ewig durchhalten würde. Und wenn der schlappmachte, dachte er, würde die Luft schnell wärmer werden und die paar Taschenlampen würden seine Vorahnung, dass der Keller ihr Grab werden könnte, auch nicht verscheuchen.
Sheppard stieß sich schließlich vom Tisch ab, goss den Rest der Suppe in eine Tasse, steckte einen Strohhalm hinein und ging hinüber zu Emison. Goot stand auf, um zu helfen, aber Dillard blieb natürlich auf seinem knochigen Arsch sitzen und fraß weiter.
»Doug, wach auf«, sagte Sheppard. »Ich habe etwas Suppe für dich.« Sheppard berührte seine Wange. Nicht mehr so heiß. »Kannst du die Augen öffnen?«
Kleine Schlitze zeigten sich oberhalb seiner Wangen, die groteske Parodie von Aufmerksamkeit. Goot schob die Hand unter Emisons Kopf, hob ihn an, und Sheppard führte ihm den Strohhalm zwischen die Lippen. »Saug daran, Doug.«
Aber Emison stemmte sich plötzlich auf die Ellbogen hoch und übergab sich. »Mein Gott«, murmelte Dillard und kam mit einem nassen Handtuch angelaufen, das er Sheppard zuwarf. »Es geht ihm schlechter.«
»Halt ihn weiter hoch, Goot.« Sheppard wischte das Erbrochene von Emisons Gesicht und Hemd. Dabei kam ihm etwas davon auf die Hände, und er sah Bakterien vor sich, die über seine Haut krabbelten, auf der Suche nach kleinen Schnitten und Poren, in die sie sich graben konnten, um ihn mit dem zu infizieren, was auch Emison quälte.
Zugegeben, die Schnittwunde am Bein war schlimm und hatte sich infiziert, aber Emison schien noch an etwas anderem zu leiden. War das Augmentin verfallen? War Emison allergisch dagegen? Aber hätte er dann nicht früher darauf reagiert?
»Lass seinen Kopf runter, Goot. Ich drehe ihn auf die Seite. Leo, kannst du ein sauberes Laken aus den Kisten holen? Und roll es zusammen, damit wir Dougs Kopf ein bisschen hochlegen können.«
Dillard warf ihnen ein zusammengerolltes Laken zu, und Goot schob es unter Emisons Kopf. Sheppard drehte ihn auf die Seite und bemerkte dabei, dass Emisons Bettzeug und Bekleidung nass waren, er hatte sich erneut bepisst. Außerdem stieg ein fauliger Geruch von ihm auf. Goot roch es und schnitt eine Grimasse.
»Was ist das?«, fragte Goot.
Sheppard war entsetzt. Er wusste genau, was das war. Wenn man diesen Geruch einmal gerochen hatte, dachte er, vergisst man ihn nie. Vor Jahren an der Uni hatte er eine Katze besessen, deren Fell so roch, nachdem die Nieren des Tiers hinüber waren.
»Seine Nieren versagen.«
»Warum?«
Sheppard zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Bin ich ein Arzt?«
Er stand auf, trat ans Waschbecken, um sich die Hände zu waschen, und zog das letzte Paar Latex-Handschuhe über. Selbst zwölf Meter unter der Erde, mit einer Metalltür in der Decke, begraben unter irgendwelchem Krempel, hörte er die Intensität des Sturms und wusste, dass er sich das nicht einbildete. Als reichte das noch nicht, ging das Licht aus – und immerhin wieder an. Die Brust schnürte sich ihm
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