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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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Bodenvase. Eine Zimmerseite wurde nur von Büchern eingenommen. Zwei Drucke von Monet zierten die gegenüberliegende Wand. Was er sah, gefiel ihm. Die Couch sah einladend aus. Am liebsten hätte er sich gleich hingelegt und geschlafen. Die Nacht war doch anstrengend gewesen. Er war froh, heute frei zu haben, und noch viel mehr, dass er sich ausgiebig rasiert hatte. Er erhob sich wieder, um sich ihre Bücher anzusehen, als Lydia herein kam und leise die Tür schloss „Sie ist schon eingeschlafen. Möchten Sie vielleicht einen Kaffee oder etwas anderes?“
    Er setzte sich wieder und schüttelte den Kopf. „Nein, danke.“
    Lydia nahm Platz. In der Hand hielt sie eine Geldbörse. Einen Moment saßen sie sich still gegenüber. Dann sagte sie: „Ich habe gesehen, dass Sie mit dem Taxi gekommen sind. Ich möchte Ihnen gerne die Auslagen erstatten.“
    Harald schüttelte den Kopf. „Das brauchen Sie nicht.“
    „Ich möchte es gerne.“ Ihre Stimme klang bestimmt.
    „Es waren zwanzig Mark.“
    Sie gab ihm das Geld und sagte: „Sie sagten, Sie seien ein Freund Lisas?“
    „Na ja, mehr ein Bekannter.“
    „Sie kennen sie gar nicht?“
    Kühl sagte er: „Ich habe das Mädchen nicht angerührt, falls Sie das vermuten!“
    „Entschuldigen Sie. Ich bin angespannt. Ich habe mir solche Sorgen gemacht und die halbe Nacht nach ihr gesucht.“
    Er nickte. „Ich verstehe schon. Aber gestern war sie auch noch nicht krank.“
    Lydia schüttelte den Kopf. „Lisa ist wahrscheinlich nicht richtig krank. Wenn sie sich heute richtig ausschläft, ist sie morgen wieder auf den Beinen. Sie bekommt schnell Fieber, wenn sie in Erregung gerät oder unausgeschlafen ist. Sie ist da sehr anfällig. Woher kennen Sie sie?“
    „Aus einer Kneipe. Sie heißt Grotte und liegt in der Gergenheimer Straße. Ich wohne schräg gegenüber, bin erst kürzlich dorthin gezogen.“
    „Ist das eine Studentenkneipe?“
    Zögernd sagte er: „Wenn ich eine Schwester hätte, würde ich nicht wollen, dass sie dorthin geht.“
    Lydia sank etwas in sich zusammen. Sie tat ihm leid. Er beobachtete sie. Die Sonne zauberte Flecken an die Wand und erhellte auch Lydias Antlitz. Das blonde, dichte Haar fiel in weichen Wellen auf die Schultern und umrahmte ein ebenmäßiges Gesicht mit einer zarten Nase und einem sinnlich geschwungenen Mund. Der Seitenscheitel gab eine hohe Stirn mit schönem Haaransatz frei. Über ihren großen grünen Augen wölbten sich ausdrucksvolle Augenbrauen. Sie war wirklich eine schöne Frau. Die feinen Linien um Augen und Mund störten nicht, die Reife gab ihr eher einen ganz eigenen Reiz. Er wurde sich bewusst, dass er sie anstarrte, doch sie erwiderte ruhig seinen Blick.
    „Die Verantwortung für so ein junges Mädchen ist sicher nicht leicht. Sie hat mir vom Tod ihrer Mutter erzählt, und dass sie ihren Vater nicht mehr sieht.“
    Lydia nickte. „Ja, sie hatte bis jetzt nicht viel Glück in ihrem Leben. Der Vater war oder ist wahrscheinlich immer noch ein Alkoholiker. Mara, ihre Mutter, hat sich erst von ihm getrennt, als Lisa schon fünfzehn war. Und Mara ist, das vermutet die Polizei, absichtlich gegen den Baum gefahren. Die Polizei hat das Lisa, da sie schon volljährig war, nicht verschwiegen. Ich konnte es leider nicht verhindern.“
    „Puh.“ Er nickte. „Jetzt verstehe ich einiges mehr.“
    „Hat sie Ihnen Schwierigkeiten gemacht?“
    „Nein, nein. Sie erschien mir nur so durcheinander.“ Lydia schüttelte den Kopf. „Ehrlich gesagt, weiß ich mir manchmal nicht zu helfen. Warum geht sie in so eine Kneipe?“ Sie seufzte.
    Harald wusste keine Antwort.
    Sie war wieder in Gedanken versunken, gab sich dann aber einen Ruck und erhob sich. „Nun ja, vielleicht braucht sie auch einfach nur mehr Zeit. Ich wollte Sie nicht mit meinen Sorgen belästigen.“
    Er erhob sich ebenfalls. „Das haben Sie nicht.“
    Sie trat auf ihn zu und gab ihm die Hand. Ihre Haltung drückte eine gewisse Art von Stolz und Würde aus. Er hielt ihre Hand einen Moment fest. „Wenn Lisa erwacht, richten Sie ihr bitte einen Gruß von mir aus.“
    Sie zog ihre Hand zurück. „Das werde ich machen und vielen Dank!“
    *

***
    H arald hörte das Klingeln des Telefons schon im Hausflur und stürmte in die Wohnung. Doch als er abhob, hatte der andere bereits aufgelegt. Er zuckte mit den Schultern und sah auf die Uhr. Dreiviertelsieben. Wer das wohl war? Für einen Anruf auf eine seiner Bewerbungen war es schon zu spät. Er nahm sich eine Flasche Bier und

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