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verwundet (German Edition)

verwundet (German Edition)

Titel: verwundet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constanze Kühn
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ein Buch und warf sich in seinen Knautschsessel. Er hatte etwa eine Stunde gelesen, als es an der Tür läutete. Nicht schon wieder Lisa, dachte er. Missmutig legte er das Buch beiseite. Als er die Wohnungstür öffnete, sah er mit Erstaunen Lydias schönes Gesicht vor sich. Sie wirkte besorgt. „Entschuldigen Sie die Störung Herr Wiebke, aber ich mache mir solche Sorgen um Lisa. Ist sie bei Ihnen?“
    Er schüttelte den Kopf.
    Lydias hoffnungsvoller Ausdruck verschwand, sie wirkte unschlüssig.
    „Kommen Sie doch bitte herein.“
    „Danke. Ich habe sie sogar schon in der Grotte gesucht.“ Dann hat sie also gesehen, in welcher Kaschemme sich Lisa herumtreibt, dachte er. Er führte Lydia in sein Wohnzimmer, holte einen Stuhl aus der Küche und bot ihr den Knautschsessel an.
    Sie bevorzugte den Stuhl. „Ich wollte es einfach versuchen, und da Sie neulich sagten, dass Sie nicht weit von der Grotte wohnen würden, habe ich die Häuser abgeklappert.“
    „Es ist ja noch nicht so spät und…“
    Lydia fiel ihm ins Wort: „Sie ist seit zwei Tagen nicht nach Hause gekommen und meldet sich auch nicht.“
    „Was?“
    „Ja. Ich weiß nicht, wo ich sie noch suchen soll!“
    „Vielleicht ist sie bei einer Freundin.“
    „Oder wieder bei einem wildfremden Mann!“
    „Haben Sie Heidi gefragt?“
    „Wer ist Heidi?“
    „Die Bedienung in der Grotte. Mittelgroß, schlank, blondierte lange Haare.“
    „Ja, doch, ich glaube, sie hat mir ihren Namen genannt. Sie ist eine Freundin von Lisa, nicht wahr?“ Lydia schaute zum Fenster. „Sie wusste leider auch nicht mehr als ich. Sie hat noch den Wirt und einige Gäste gefragt, aber niemand konnte etwas sagen! Ich weiß nicht mehr weiter.“
    „Lisa ist volljährig. Vielleicht sollten Sie aufhören, sich so zu sorgen.“
    Lydia sah ihn wieder an: „Aufhören, mich zu sorgen? Das ist nicht so leicht. Das Mädchen ist völlig durcheinander. Sie hat ja sonst niemanden. Ich dachte, wenn ich versuche, ihr die Mutter zu ersetzen, würde sie sich vielleicht eher fangen. Aber es ändert sich nichts. Sie kümmert sich weder um ihre Schulausbildung noch macht sie sich anderweitig Gedanken um ihre berufliche Zukunft. Das kann doch nicht so weiter gehen.“
    „Vielleicht braucht sie einfach noch Zeit.“
    „Ich glaube nicht, dass das der einzige Grund ist. Sie war immer schon sehr zugeknöpft, aber seit einiger Zeit weicht sie mir aus. An dem Tag, als Sie sie mir nach Hause gebracht haben, hatten wir noch einen hässlichen Streit. Ich wollte sie zur Rede stellen und sie bitten, dass sie mich wenigstens anruft, wenn sie nachts weg bleibt. Seitdem haben wir kaum noch miteinander gesprochen, und nun ist sie fort!“ Lydias Stimme kippte etwas, sie hatte sich jedoch gleich wieder in der Gewalt. Sie atmete tief durch und erhob sich: „Ich will nicht länger Ihre Zeit beanspruchen. Vielen Dank für Ihre Hilfe.“
    Harald wollte zu einer Erwiderung ansetzen, aber die Türklingel unterbrach ihn. Er runzelte die Stirn. Mit drei Schritten war er bei der Tür und öffnete sie. „Wenn man vom Teufel spricht“ rief er, griff durch den Türspalt und zerrte Lisa in die Wohnung. „Hier haben Sie Ihre Ausreißerin“, rief er triumphierend.
    „He, was soll das, bist du bescheuert?“ Lisa wollte gerade Harald mit der Hand ins Gesicht schlagen, als sie Lydia erblickte. Mit geöffnetem Mund stand sie da. Einige Sekunden sahen sich die beiden Frauen schweigend an. Dann sagte Lisa höhnisch: „Spionierst du mir nach oder suchtest du einen Mann?“
    „Lisa!“ Haralds Stimme klang schneidend.
    „Und du hast mir auch nichts zu sagen!“ Sie wollte sich umdrehen und gehen, aber Harald hielt ihren Arm fest umklammert.
    Lydia ließ sich nicht anmerken, ob sie durch Lisas Bemerkung verletzt war. „Wo warst du nur die letzten zwei Tage?“
    „Das geht dich gar nichts an!“ fauchte Lisa.
    Harald schüttelte sie wie eine Katze. „Du egoistisches Balg. Ich könnte Frau Kaufmann gut verstehen, wenn sie dich einfach rausschmeißen würde. Du bist ja widerwärtig!“
    „Lass mich los.“ Lisa wand sich aus Haralds Griff. Der aber hatte sich vor die Tür gestellt und ließ sie nicht raus.
    „Lassen Sie nur, Herr Wiebke. Es hat ja doch keinen Sinn. Lassen Sie sie gehen.“ Sie ging an Lisa vorbei, ohne sie weiter zu beachten. In der Tür drehte sie noch einmal um und legte Harald kurz die Hand auf den Arm. „Trotzdem, vielen Dank.“
    Als sie weg war, schwieg Harald, und Lisa stand unschlüssig herum.

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